Granada ist, wie ich finde, die schönste Stadt Nicaraguas. In einer kuriosen Mischung aus Alt und Neu wechseln sich in den Straßen frisch renovierte Bürgerhäuser mit zerfallenen Hausruinen ab. Die Bürgersteige sind gleichmäßig gesprenkelt mit fußballgroßen Löchern. Und die Deckel der Gullys fehlen fast regulär. Selbst ein Stolpern-ohne-hinein-zu-fallen kann hier böse enden. Sicherheitshalber hetzt man in Granada nicht – und stolpert so auch seltener. Was Mode, Accessoires, Frisuren und Plastikstühle angeht, so scheint die Zeit in den 1970ern stehen geblieben zu sein. Dabei wirkt der Aufzug einiger Anwohner so stilecht, dass man ihn schon wieder als popmodern bezeichnen könnte. Vor den Eingängen hängt man demonstrativ in Schaukelstühlen ab. Leicht erkennbar: das hiesige Lebensmotto heißt Müßiggang. Beobachtet man die Anwohner läuft man unweigerlich Gefahr einzuschlafen. Besonders gut gelingt dies auf dem zentralen Marktplatz. Im Schatten von Mango- und Malinchebäumen kann man dort Kutscher und Eisverkäufer beim Agieren in Zeitlupe verfolgen – während man ein Stündchen auf einen frisch gepresstes Öbstsäftchen wartet. Farbenprächtige Kolonialbauten und elegante Kirchen umgeben den Platz. Über den Hausdächern an der Westseite schimmert die Silhouette des Vulkans Mombacho. „Nicaragua“ leitet sich aus der Sprache der Nahuatl ab. Er bedeutet: „Menschen die hier sind“.
Bummelt man eine der Straße gen Süden hinab, gelangt man zum Nicaraguasee. Flüsse verbinden ihn sowohl mit der Karibik, als auch mit dem Pazifik. Die geografisch günstige Lage am See bescherte Granada einst eine immense Bedeutung als Hafenstaat. Wichtige Handelsgüter waren Kakao und Tabak. Im 18. Jahrhundert wuchs der Umschlagplatz. Granada wurde wohlhabend und erhielt den Beinamen „La gran Sultana“ (umgangsspr. die fette Rosine). Doch der Reichtum zog nicht nur Händler an. Mindestens dreimal wurde die Rosine auch von Piraten geplündert. Der bereits erwähnte Piratenkönig Henry „Harry“ Morgan schleppte mindestens eine halbe Millionen Pfund nach hause. Und auch William Walker ließ sich blicken. Der amerikanische Söldner brannte die Stadt 1856 nieder. Und hinterließ lediglich das Ortsschild, mit der recht unzweideutigen Aufschrift: „Here was Granada“.
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