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Fremd ist der Fremde auch nicht in der Fremde

Von Georg Seeßlen

Reisen ist eine Art der Bewegung in der Welt, in der man ein wenig von sich selbst aufs Spiel setzt. Gefährdungen des Körpers sind so wenig ausgeschlossen wie merkwürdige Verschiebungen der Wahrnehmung. Am Ende der Reise, das wissen wir aus beinahe allen unserer Erzählungen, steht entweder die glückliche Heimkehr oder Wahnsinn und Tod. Was wäre eine Reise wert, wenn sie nicht ebenso gut ins Paradies wie ins Herz der Finsternis führen könnte?
Urlaub dagegen, ein ziemliches neues Phänomen der ökonomisch differenzierten Gesellschaft, ist ein Intervall, ein Innehalten, eine Beruhigung im fortlaufenden Prozess von Arbeit und Alltag: Ausruhen. Im Urlaub geschieht zugleich die Aufhebung und die Fortsetzung der Spaltung des arbeitenden Menschen in sein gesellschaftliches und sein privates Ich. Mehr noch: „Urlaub vom Ich“ heißt für eine (immer viel zu kurze) Zeit seinen Verpflichtungen von Schweiß, Industrie und Nachbarschaft zu entkommen. Und mehr noch: Im Urlaub ist man nicht mehr ganz Ich. Das zeigt sich schon daran, dass man sich anders kleidet (und das nicht nur, weil es praktisch ist), sich anders bewegt, einen anderen Blick entwickelt. Man ist ein bisschen mehr als Ich (im Erlebnis der Fremden), ein bisschen weniger als Ich, wenn man nur noch so fundamentale Erfahrungen an sich lässt wie Wasser, Sonne und Zeit: – die Seele baumeln lassen. Aber kann man mit einer baumelnden Seele reisen?

Sommerfrische und Massentourismus
Eine Urlaubsreise ist ein Widerspruch in sich. Das „Ausruhen“ muss mit der sensationellen Veränderung vereint werden, eine Bewegung, die eigentlich Ruhe ist, und eine Ruhe, die Bewegung braucht. Aus sich heraus und in sich hinein. Eine Urlaubsreise ist also ein sehr individuelles Kunstwerk gegen die eigene Alltäglichkeit – und gleichzeitig ein industriell gefertigtes Produkt auf einem wachsenden Markt.
So ist die Urlaubsreise das Gegenteil einer abenteuerlichen oder empfindsamen Reise, und sie ist auch das Gegenteil des klassischen bürgerlichen Urlaubs in der Sommerfrische. Hier war ja Verortung und Dauer das Wesentliche; da, wo man in die Sommerfrische hinfuhr, hatte man so etwas wie ein zweites Zuhause, ein zweites Leben in der Nähe der Natur und des Volkes. Die moderne Urlaubsreise war zunächst so etwas wie eine Dynamisierung der Sommerfrische. Doch als die Deutschen in den späten fünfziger Jahren gen Süden aufbrachen, steckte natürlich mehr dahinter: eine neue Weltlust des Wirtschaftswunder-Mittelstandes, Mobilität als neuer kultureller Wert, und die Saturierung der ersten Bedürfnisse. Die Wohnung eingerichtet, die Fresswelle verarbeitet, der Kleingarten gepflegt, das Automobil abgezahlt, mit dem es nun nur noch auf große Reise gehen kann. Dieser Massentourismus unterschied sich von der Sommerfrische durch das eklatante Fehlen jeder Selbstverständlichkeit. Diese Welt der Steilwandzelte, knallroten Gummiboote, Campingkocher und Duschkabinen, der Ferienhotels am Wörthersee und der Folkloreabende wurde zum Ur- und Schreckbild der kommenden Entwicklung. Paradies und Parodie in einem.
Die Widersprüche der Urlaubsreise haben sich seitdem dramatisch zugespitzt: Urlaub ist in der postindustriellen Gesellschaft, der die Arbeit ausgeht, und die an ihre Stelle die Inszenierung der Karriere gesetzt hat, eigentlich absurd geworden. Er wird zum Medium der karrieristischen Selbstdarstellung. Soziale Ruhe kann man sich nicht erlauben – so zerstört das geschäftige Handy den Urlaub mit Karriere-Plots, während umgekehrt der Geschäftsreisende sein Handy benutzt, um seine Urlaubspläne zu verbreiten. Andererseits darf ja in der Karriere die Anstrengung nur als Lust erscheinen. Die Abfolge von Mühsal und Erholung, von Arbeit und Urlaub funktioniert nicht mehr. Kein Wunder, dass es in den Prospekten für Urlaubsreisen immer wenig um „Erholung“ geht – und der Aspekt „Aufregung“ immer wichtiger wird. Weniger Urlaub, mehr Reise wird da versprochen. Und: Es ist immer was los.
Wie kommt ein Mensch überhaupt dazu, sich aus der Heimat in die Fremde zu begeben? Das ist eine lange Geschichte. Vielleicht weil er sich auf die beschwerliche Suche nach neuer Nahrung begeben muss. Das ist die nomadische Form der Reise. Vielleicht weil er begehrt seines Nächsten oder Übernächsten Knecht, Magd, Vieh, Weib oder alles was sein ist. Das ist die kriegerische Form. Und dann ist es eine der furchtbarsten Strafen, aus der Heimat ins „Elend“, die Fremde vertrieben zu werden. Die Verbannung kam früher gleich nach der Todesstrafe. Oder der Mensch reiste, weil er etwas, was bei ihm selbst nur wenig, in der Fremde aber sehr viel wert ist, gewinnbringend verkaufen konnte. So entsteht die Handelsreise. Wer nur die eigene Arbeitskraft verkaufen kann, macht sich als Hirtenknaben auf den Weg über die Alpen, Handwerksburschen gehen auf Reisen, und Wanderarbeiter verdingen sich von einem Hungerlohn zum anderen. Die Fremde muss freilich auch schon deswegen bereist werden, weil es sie gibt, so wie ein Berg bestiegen werden muss, weil er da ist. Da haben wir die Expeditionsreise. Und die Welt, die daheim eng und geregelt ist, und unendlich suggestiv und lehrreich woanders, fordert zu den neuen, den bürgerlichen Reisen heraus. Die Bildungsreise beginnt schon die Verhältnisse herumzudrehen: Man bereist die Fremde auch, um sich selbst zu finden. Die Bildungsreise trivialisiert sich in der Abenteuerreise und sublimiert sich in der philosophischen Reise. Am Ende steht schließlich noch die Gesundheitsreise, der Aufenthalt in Kurbädern, in Sanatorien mit gesunder Luft und ärztlicher Betreuung, bevor Fitness und Wellness alltagstauglich wurde, Reisen an einen Ort zwischen Leben und Tode. Zwischen Paradies und Herz der Finsternis: die Reise auf den Zauberberg.
All das, so widersprüchlich es sein mag, vereint sich in einem Ziel: im Triumph des reisenden Subjekts über das Bereiste. Und all das und noch viel mehr steckt in der letzten, der bürgerlichen Reise-Formen, in der Urlaubsreise. Sie ist ein Kriegsunternehmen mit friedlichen Mitteln, eine begrenzte und kontrollierte Verbannung, ein Handels- und Beutezug mit eher symbolhaften Waren, eine Bildungsreise mit verlässlich tautologischer Information (es ist alles so, wie es beschrieben wurde), eine Abenteuerreise mit kontrolliertem Risiko. Und eine Selbsterfahrung – auch wenn es dabei nicht mehr um philosophische Grundfragen von Ich und Welt geht, sondern eher um die heftige Erfahrung, mit sich und den seinen alleine zu sein. Die andere Seite der Reiselust ist die Ehekrise.
Die Urlaubsreise, die an ihren neuen und alten Widersprüchen krankt, muss, um sich zu retten, beständig Formen und Wesen ändern, sich spalten, hier verschwinden und dort an überraschenden Orten wieder auftauchen. Man nennt das „Reisetrends“, und so ist neben der Primärindustrie von Reiseveranstaltern, Gastronomie und Transportgewerbe eine Sekundärindustrie entstanden, die Reisebilder in Fernsehmagazinen, Zeitschriften, Prospekten usw. produziert.

Dabei ist eine merkwürdige Spezies entstanden: die Reisejournalistin und ihr Kollege, die, wie einst das Halbblut (Scout) im Wilden Western, ruhelos durchs Land ziehen, um Ferienparadiese und Sehenswürdigkeiten zu beschreiben – und vor allem die kleinen noch nicht entdeckten Wasserstellen für Urlauber zu finden, die sich in Ferienparadiese oder Sehenswürdigkeiten verwandeln lassen. Früher brachte die Reise Erzählungsformen hervor, vom Reisetagebuch zum Dia-Abend. Heute bringt die Reiseindustrie ein unaufhörliches mediales Gerede hervor, ein Bilder-Grundrauschen über die Welt-Attraktionen. In diesen medialen Endlosschleifen geht es um die klassischen Reiseziele, um Neuentdeckungen (oder -erfindungen) und natürlich viel um Sicherheit. Keine Reise ohne Reiserücktrittsversicherung!
Die Urlaubsreise ist also eine ziemlich unmögliche Unternehmung. Dem widerspricht keineswegs, dass noch nie so viele Menschen so intensiv und zerstreut verreisen und dass die Tourismusbranche boomt. Es ist ja kein Zufall, dass Mutter Beimer aus der „Lindenstraße“ nach Ehescheidung und allerlei sonstigen Lebenskrisen ausgerechnet ein Reisebüro gründet. Vielleicht sind uns ja alle Hoffnungen in die Urlaubsreise gerutscht, und Mutter Beimer verteilt Urlaubsreisen so wie frühere „Mütter der Nation“ gute Ratschläge verteilt haben. Allerdings ist die kulturelle Bewegung, die mit der Umwandlung der Sommerfrische in die Urlaubsreise begann, noch keineswegs abgeschlossen. Einige schöne Nebenaspekte der Urlaubsreise sind dabei verloren gegangen: vor allem die Erzählbarkeit und die Abbildbarkeit des Urlaubszieles. Früher musste man von seinem Urlaubsort Postkarten schicken, ja manchmal sah es aus, als sei der Ort vor allem zum Postkartenschreiben geschaffen und der Reisende nur zum Postkartenschreiben hierher gelangt. Ach, wie lange habe ich keine Urlaubspostkarte mehr erhalten! Und wie hat sich das Angebot in den Ständern der Souvenirläden reduziert. Auch von seiner Urlaubsreise zu erzählen, auch der Dia-Abend mit den Freunden, will nicht mehr so recht gelingen. Denn jeder hat ja schon seine eigenen drei, vier Urlaubsreisen dieses Jahr hinter sich und im TV gibt es viel bessere Bilder von Mallorca als beim Dia-Abend. Die Urlaubsreise ist schrecklich trivial geworden. Sie entzieht sich immer mehr der Erzählbarkeit. Welche Möglichkeiten also gibt es, sie zu retten?
Die Hysterisierung. Urlaubsreisen gibt es in schier endloser Vielfalt. Es gibt keinen Ort mehr, der sich nicht irgendwie als Reiseziel eignen würde, es gibt auch keine klare Trennung der „Saisonen“ mehr. Auch die klassisches Struktur (Anreise, Ferienparadies, Exkursionen, Abreise) tritt zurück zugunsten neuer Reise- und Ruhe-Samples. Nicht zu unterschätzen ist dabei das Abenteuer der Ökonomie. Eine glückliche Reise ist ein „Schnäppchen“; das Vergnügen am Ergattern einer Last-Minute-Reise ist so groß geworden, dass die Frage, ob die angebotene Gelegenheit überhaupt günstiger ist als das Normal-Angebot, manchmal unwichtig wird. Eine Last-Minute-Reise ist einfach „authentischer“ als ein lang geplantes Vorhaben. Ja, wir wollen die Urlaubsreise, die so verplant und pauschalisiert scheint, durch die Jagd nach dem Last-Minute-Angebot wieder ein wenig chaotisieren, uns unter Zeitdruck setzen, dem Zufall eine Chance geben. Hysterisieren können wir die Reise natürlich auch, indem wir dorthin fahren, wo es „wirkliche Gefahren“ gibt, wo man beraubt, entführt, getötet werden könnte. Ja, von einem wirklich tollen Schnäppchen, von einer Entführung oder einem Schlangenbiss, davon kann man noch erzählen!

Die Beschleunigung. Die Reise selbst als Bewegung verschwindet. Man fliegt nachts, und im ICE rast man vor allem durch Tunnel und an Lärmschutzmauern entlang. An die Stelle der Bewegung tritt der harte Schnitt zwischen dem Hier und dem Dort. Weil es so schnell geht, wird auch der kurze Aufenthalt lohnend. Je kürzer die Bewegung, desto kürzer der Aufenthalt. Der Kurzurlaub, den die Kulturpessimisten als Ausdruck unserer schnelllebigen Zeit sehen mögen, ist der Versuch, dem Augenblick eine Kostbarkeit zurückzugeben. Der Urlaub in seiner beschleunigten und verkürzten Form dient nicht mehr der Erholung oder der Erfahrung, er wird zum Empfindungsflash. Kein Zufall, dass der „kick“, den man da sucht, aus der Drogensprache stammt.

Die Fragmentierung. Nehmen Sie nicht einmal den „großen Urlaub“, verteilen Sie ihren Reisehunger über das ganze Jahr. Lieber zweimal eine Woche statt einmal zwei Wochen! Auch von dieser Spaltung scheinen alle zu profitieren. Die Arbeitgeber können ihre Arbeitszeiten flexibler gestalten, und Karrierestrategien dulden keine Phasen längerer Abwesenheit. Die Reiseveranstalter verteilen ihre Angebote anti-zyklisch („Wir haben das ganze Jahr Saison!“) und vermehren sie. Und der Kurzurlaubsreisende bekommt mehr Welt und Abenteuer in seine knapp bemessene Urlaubszeit. Mehr ist nämlich nicht weniger, mehr ist immer nur mehr! Natürlich hat das alles seinen Preis: nicht nur für die Reisenden, vor allem für die Bereisten. Die Auffächerung des Angebots.

Ursprünglich gehörte die Reise zum Individuum, das sich bildete und in Frage stellte. Schon das reisende Paar ist eine Dekadenz-Erscheinung, von der Gruppenreise ganz zu schweigen. Die Urlaubsreise dagegen ist ein Medium der Gruppenbildung, der Paar- und Familienbestätigung. In einer idealen bürgerlichen Familie hat man sich im Urlaub kennen gelernt, freut sich die gesamte Familie auf den gemeinsamen Urlaub, kommt man, auch nach der einen oder anderen Krise vielleicht, als Familie gestärkt in die Heimat zurück. Wenn Sie’s nicht glauben, lesen Sie, zum Beispiel, das „Goldene Blatt“ oder sehen Sie fern. Zu den Katastrophen in einem bürgerlichen Leben gehört der „getrennte Urlaub“. Er läutet die große, vielleicht letzte Krise des Paares ein, er macht schmerzhaft bewusst, dass die Kinder das Haus verlassen werden. Logisch, dass jede Krise der Familie auch zu einer Krise der Urlaubsreise führt. So wird daher von der Anbieterseite das Zentrum, der Familienurlaub, vom Rand her aufgerollt. Das Angebot wird aufgefächert, ohne das Zentrum mythisch in Frage zu stellen. Die „Single-Reisen“ versprechen die Möglichkeit einer Paarbildung, bei der Gruppe in der Abenteuerreise schwärmt jeder glückliche Beteiligte davon, wie sehr man einander, irgendwo im Busch, „zur Familie“ geworden ist. Sogar der Individualtourist, der die Massentouristen in den Betonburgen verachtet, ist erst richtig glücklich, wenn er andere Individualtouristen trifft. Wenn drei, vier, viele Individualtouristen zusammenkommen (und das tun sie immer), machen sie sich merkwürdigerweise kaum Gedanken darüber, dass sie nun nicht mehr ganz so individualtouristisch, sondern nur unerträglich sind. Und auch für die Familie gibt es neue Möglichkeiten. Die Familie bricht im Urlaub nicht katestrophisch auseinander, weil das Ferienparadies bereits eine Inszenierung des Auseinanderbrechens anbietet: Im Club Mediterrane und seinen vielen Nachkömmlingen werden durch die besonderen Angebote die Kinder den Eltern, die Eltern einander „abgenommen“. Ein perfekter Mythos: die Familie, die zugleich gemeinsam und getrennt Urlaub macht.

Die Erzählungsreise. Populär geworden sind in den letzten Jahren thematische Reisen (Reisen „auf den Spuren von …“, Reisen auf der Suche nach etwas, und sei’s der frischeste Rohmilchkäse oder die Schauplätze der Sherlock-Holmes-Romane). Das ist ein Versuch, um die schreckliche Trivialität der Urlaubsreise vergessen zu machen. Unter dem Aspekt der Sherlock-Holmes-Spuren wird sogar eine Straßenkreuzung zu einer Sehenswürdigkeit, noch der ödeste Ort kann durch einen Rohmilchkäse-Produzenten neo-touristisch geadelt werden. So gelingt die Re-Exotisierung der Welt sogar noch in einer Form des Massentourismus.

Die Medialisierung. Kann man sich eigentlich eine Kreuzfahrt noch ohne das „Traumschiff“ des Fernsehens vorstellen? Gewiss hat die Medialisierung des Urlaubs eine lange Geschichte – zu den Ferien in den 50ern gehörte zum Beispiel der „Ferienfilm“ im Kino. Doch in den letzten Jahren hat diese Verbindung eine neue Qualität bekommen. Die Inszenierung einer Urlaubsreise gleicht sich dem medialen Vorbild nicht mehr nur äußerlich an, sie imitiert auch deren innere Dramaturgie. Der Thrill einer Kreuzfahrt dieser Tage besteht nicht mehr nur darin, sich bedienen und verwöhnen zu lassen – man will sich dabei auch „wie ein Fernsehstar“ fühlen. Man wird vom Luxusreisenden zum Darsteller eines Luxusreisenden. Weil unsere eigenen Kameras und unsere eigenen Erzählungen nicht mehr taugen für unsere Reisen, haben wir eine unstillbare Sehnsucht danach, unsere Reisen von den anderen, den größeren Kameras, von den anderen, den größeren Erzählungen begleiten zu lassen. Der Urlaubsreise der Zukunft kann nur direkt ins Fernsehen führen.

Das Verschwinden der Fremde
Der Urlaubsreisende will etwas Widersprüchliches: Er will die Wiederholung des Gewohnten und er sucht das Exotische, er sehnt sich nach Heimat und Fremde zugleich. Das führt geradewegs zu dem Ferienparadies. Ein Ferienparadies ist teilweise die extrem verschärfte und proletarisierte Form der Sommerfrische. Ein Ferienparadies ist weder Heimat noch Fremde. Es ist etwas Drittes. Es vereint (scheinbar) das Beste von Heimat und Fremde. Dieses Verschwimmen von Hier und Dort ist tückisch, weil mit der Fremde auch die Heimat zu verschwinden beginnt. Ist ihnen schon mal aufgefallen, dass viele ihr eigenes Heim, besonders wenn es ein Vorstadthaus ist, in eine Art kleines „Ferienparadies“ verwandeln? Und umgekehrt versuchen die Ferienparadiese sich immer mehr den Mittelstandsträumen anzupassen. Auch dort soll es aussehen wie zu Hause. Kein Wunder, dass die Betonburgen sich wieder in Vorstadtsiedlungen auflösen.
Wozu muss man dann noch reisen? Falsche Frage. Wenn wir nicht mehr reisen könnten, wozu dann noch leben?

Tagesspiegel, Berlin, vom 30.06.2006

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¡Hola, amigos!

Bananen
Bananen

Noch 8 Wochen – dann ist es endlich soweit! Am 5. Oktober 2009 steige ich um 18:00 Uhr in Frankfurt in einen Airbus der allseits bekannten Fluggesellschaft „Air Comet“. Und keine 15 Stunden später küsse ich den argentinischen Boden unter Buenos Aires… Von allen legendären, spannenden und witzigen Erlebnissen, die mich in den darauf folgenden 12 Monaten ereilen sollten, werde ich Euch bedauernswerter Weise Daheimgebliebenen auf dieser Seite hier berichten – ganz in der Hoffnung Euer Schicksal dadurch etwas erträglicher zu machen!    😉
Hasta Luego!
Euer Dominik

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The Botsuana-Adventure I (2005)

Hi Folks,

Nun bin ich schon 5 Wochen in diesem wunderschoenen Land und es wird Zeit mal einen laengeren und ausfuehrlicheren Bericht zu erstatten. Vorweg moechte ich mich fuer mein schlechtes Deutsch entschuldigen, aber ich muss jeden Satz vorher in Gedanken uebersetzen… und wenn ich auch sonst zu Uebertreibungen neige, jedes hier gschriebene Wort habe ich wirklich erlebt. So unglaublich es auch fuer Euch klingen mag…

3 Wochen „Re Bina Mmogo“

Die esten 3 Wochen war ich ganz in die laufende Produktion eingebunden. Titel des 13teiligen Dramas ist „Re Bina Mmogo“, was soviel heisst wie: „Lasst uns zusammen tanzen“. Dabei ist nicht nur die Koerperbewegung gemeint, sondern jede Art von gemeinsamer Aktivitaet. Mann koennte auch sagen, lasst uns zusammen leben, essen, schlafen, sterben,… was auch immer Freude oder Leid bereiten mag. Das Script enstand auf Grundlage der Erlebnisse einer real existierenden traditionellen Tanzgruppe und ihrem Weg zum internationalen Erfolg… Es beinhaltet alle moeglichen Lebenssituationen in Botswana… Selbstmord, ungewollte Schwangerschaft, Eifersucht, HIV-infektionen, Homosexualitaet, Hochzeiten, Beerdigungen…Hexenzauber (welcher hier noch weit verbreitet ist). So kam ich waehrend der Produktion in den Genuss die vielfaeltigen Lebenssituationen der Botswanesen und ihre filmische Umsetzung zu beobachten. Ausserdem haben wir an den verschiedensten Orten in und um Gaberone gedreht, so dass ich jeden Tag ein anderes Fleckchen dieses wunderbaren Landes kennen lernen konnte.
Meine Crew bestand aus 18 Leuten die ich alle sehr lieb gewonnen habe. Viele von ihnen sind aus Botswana. Manche stammen aber auch aus Holland, Suedafrika oder Zimbabwe. Die meisten sind etwa in meinem Alter oder etwas juenger. Genau wie das Equipment ist auch die Arbeit aller Beteiligten hochprofessionell. Das gedrehte Material ist nach Aussagen der Mitwikenden „eine bisher einmalige Sache…mit anderen Worten: die Ausstrahlung wird eine Sensation!“ Wie das beim Film so ist, war die Crew eine grosse Familie fuer mich von der ich viel gernt habe und die mir viel Geborgenheit geschenkt hat.
Auch wenn ich in diesen 3 Wochen wahnsinnig viele schoene und aufregende Erlebnisse hatte, so war es doch auch eine ansstrengende Zeit. Ich habe in vielen Aufgabengebieten ausgeholfen. Fast immer stand ich direkt neben George, dem Regisseur, und habe ihm ueber die Schulter geschaut. Ausserdem verstehe ich mich sehr gut mit Sadia, der Produktionsmanagerin, welche mir Einblicke in die organisatorischen Tiefen ermoeglichte. Die Tage waren immer taff durchstrukturiert. Insofern wir nicht irgendwo in der Wildniss uebernachtet haben, ging es morgens um 6 Uhr los. Treffen in der Office, gemeinsames Fruehstueck, Autos mit Equipment beladen, zur ersten Location fahren, Drehort checken; Kameras, Reflektoren, Licht aufbauen; jede Szene 1000mal abdrehen, alles wieder abbauen; zum naechsten Drehort fahren… und das ganze manchmal bis morgens um 2 Uhr frueh… 4 h schlaf und dann gings wieder los. Da blieb nicht viel Zeit zum Email schreiben… dennoch waren diese drei Wochen unvergesslich aufregend und schoen. Jeden Morgen begruesste mich ein wunderbarer Sonnenaufgang gefolgt von einem strahlend blauen Himmel…

Leben in Gabarone, auch Gabs genannt

Die letzte Woche war eine der anstrengensten und erschueternsten meines kurzen Lebens. Was mir in der letzten Woche wiederfahren ist bleibt jedoch unverstaendlich, wenn man nicht weiss was es bedeutet, in Gabs zu Leben. Deshalb ein paar Saetze ueber Gabarone und seine Einwohner vorweg: In der Hauptstadt Botswanas leben etwa 600 000 Menschen, etwa soviele wie in Leipzig und Umgebung. Im ganzen Land, welches etwa die Flaeche Frankreichs besitzt, leben nur 1,7 Millionen Menschen – fast jeder Botswanese kennt also mindestens eine Beruehmtheit aus dem Botswana-Fernseh persoehnlich… Ein grosser Unterschied zu europaeischen Staedten besteht darin, das abgesehen von den wenigen Bank-, Geschaefts- und Regierungsgebaeuden im Stadtzentrum, kein Haus mehr als eine Etage hat, weshalb die ganze Stadt sehr grossflaechig ist. Vor 25 Jahren besass die Stadt eine Gesamtflaeche des heutigen Stadtzentrums. Die meisten Hauser wurden also erst in den letzten beiden Jahrzehnten gebaut. Jedes Haus besitzt eine grosse Mauer mit elektrischem Stacheldraht obendrauf (und einem grossen Security-Schild am Tor), so das man die Haeuser meist gar nicht sieht. Trotz grosser Anstrengungen habe ich immer noch keine Orientierung. Wenn man mich auch nur zwei Strassen entfernt von unserer Office absetzt habe ich keine Chance nach hause zu finden. Es gibt keine Buergersteige. Die sind auch nicht notwendig, denn man laeuft nicht irgendwohin, man faehrt. Entweder mit dem eigenen Auto, einem Taxi oder einem Combibus. Wobei ich Combis nur in Notfaellen nutze, da ich nie weiss wann und wo ich aussteigen muss und grundsaetzlich auf Hilfe angewiesen bin. Wenn man nach hause gefahren wird, wartet der Fahrer solange vor der Haustuer bis man im Haus verschwunden ist, damit der Fahrer sicher sein kann, einen auch sicher abgesetzt zu haben. Gut gehende Restaurants und Bars nehmen den Dienst von Fahrunternehmen an, um zu gewaehrleisten, dass ihre Belegschaft nach Dienstschluss auch sicher nach hause gelangt! Wenn ich irgendwo hinfahre, muss ich mir sicher sein, dass mein Handy aufgeladen ist und ich noch genug credits zum Taxirufen habe. Andererseits wird es schwer wieder nach hause zu kommen. Hinzu kommt das Problem das Taxigesellschaften es moegen Auskuenfte zu erteilen wie: „Leider stehen zur Zeit keine Taxis zur Verfuegung!“ oder „Es tut uns leid, aber in dieses Stadtviertel koennen wir aus Sicherheitsgruenden zur Zeit kein Taxi schicken…“. Mit anderen Worten, es ist nicht ganz einfach die Stadt zu erkunden, wenn man recht mittellos und unerfahren ist. Andererseits gibt es auch nicht viel zu erkunden, da die Stadt kein wirkliches Stadt-Einkaufs-Zentrum besitzt. Jedenfalls keines wie man es in Europa gewoehnt ist. Das Leben spielt sich hier in Shoppingmalls ab, etwa vergleichbar mit dem Paunsdorfzenter. Davon gibt es hier 6. Dort ist es allerdings recht langweilig wenn man kein Geld zum Ausgeben hat. Ansonsten gibt es noch das NewsCafee, Oheagins (eine angnehme JazzBar), Ellignton (eine mehr oder weniger versueffte Disko), McGuinties (ein irish Pup), Gabs Sun (ein Casino mit Bar voller Prostituierter) und Bull&Bush (die Lieblingsbar der Crew wo man auch Pool spielen kann). Ausserdem gibt es noch einen Park, in den aber niemand geht, weil es dort von Dieben und Vergewaltigern nur so wimmeln soll. Und das wars dann auch schon so ziemlich an kommunikativen Knotenpunkten, abgesehen von ein paar Karaoke- und BilligBars in denen sich die afrikanischen Stammtischalkoholicer treffen… und Alkoholismus ist hier weit verbreitet. Bier trinken scheint hier eine alltaegliche Abendbeschaeftigung zu sein… um es abwechslungsreich zu halten stehen jede menge Sorten zur Auswahl, z.B: Bavaria, Becks, Castle, Black Label, Amstel, St. Luise, Heinecken, Savana Dry… nur um mal die beliebtesten zu nennen… Die numerische Begrenztheit der Orte an denen man soziale Kontakte pflegen kann, hat den Vorteil, das man so gut wie jeden Bekannten per Zufall dauernd und ueberall wiedertrifft ohne dies eigentlich zu forcieren… wenn man also nicht gerade auf der Suche ist oder sich verlaufen hat, hat man das Gefuehl in einem Dorf zu wohnen. Nichts erstrebenswerte ist weiter als 15 Taxi-minuten oder 18 Puhla (= 3 Euro) entfernt.

Eine Woche Wahnsinn pur

Donnerstag, 2.6.2005
Wie alles begann… wenn eine Szene im Kasten ist, nennen wir das Wrap. Wenn alle Szenen im Kasten sind, ist eine Wrap-party faellig. Am Sonntag hatten wir die letzte Szene mit Schauspielern im Kasten und bereits eine kleine Wrap-party veranstaltet. Montag bis Donerstag haben wir nur noch Gebaeude und Landschaften abgefilmt. Wie auch immer, Donnerstag war der letzte Drehtag und eine ordentliche Sause musste folgen. Wir begannen mit ein paar Bier in der Office, danach besuchten wir eine Karaokebar nach der anderen. 3 Monate harter Dreharbeiten fanden ihr Ende. Fuer viele bedeutete es vorlaeufige Arbeitslosigkeit. Dennoch war die Crew bestens gelaunt. Und auch ich fuehlte mich grossartig. … Goeran wird sich sicher an ein sehr expressionistischtes Telefongespraech bestens erinnern… (Nebenbei gesagt: die Polizei in Gabarone nimmt es mit Alkohol am Steuer nicht so genau…schliesslich hat man keine Moeglichkeit den Spiegel zu kontrolieren…man sollte nur die Flaschen nicht zu offensichtlich zeigen…) Letzte Station der Sause war Gabs Sun. Gegen 2 am war die gesamte Crew ratten datten dicht, dennoch bestellten wir eine Runde nach der anderen. Schnaps, Bier, Schots (kleine, 1cl hochprozentige Mixgetraenke, die es in sich haben…mit Namen wie BlowJob, Springbock, BlackLady…). Alle 10 Minuten wurde ich von irgendeiner Prostituierten angegraben. Manche wollten trotz mehrfacher Ablehnung nicht von mir lassen. Am meisten nervte mich ein Kuppler mit Namen Schorn…gruene Augen, kurze gelockte Haare, gedresst ganz in weiss…bestimmt griechischer oder italienischer Abstammung. Unbedingt wollte er mich mit einem Maedchen namens Patricia verkuppeln. Ich konnte mein Bedauern bereits pleite zu sein nur wiederholen. Gegen 5 Uhr verliessen wir den Laden endlich und ich bekam ueberraschenderweise noch ein Taxi nach hause…

Freitag, 3.6.2005
Fix und fertig, schaffte ich es dennoch vom Tor bis zu meinem Bungalow zu torkeln, meine Tuer aufzuschliessen und …der Anblick der mich erwartete killte saemtlichen Alkohol in meinem Blut in wenigen Sekunden. Mein Raum war fast voellig lehr, mein Bett war zerwuehlt, das Fenster stand offen, das Eisengitter baumelte im Rahmen. Shit, dachte ich und musste mich erstmal setzen. Drei Wochen im Land und schon war ich meinen gesamten Besitz los. 2 Kameras, 1 Laptop, Radio, saemtliche Kabel, Ladegeraete, Batterien, Rucksack, T-Shirts, Jacken, Reisepass, Fuehrerschein, … ich brauchte eine halbe Stunde um mich zu fassen, dann rief ich die Polizei. 2,5 Stunden spaeter traf diese dann auch ein. Man nahm ein Protokoll auf, nahm Fingerabdruecke vom Fensterrahmen und untersuchte die Fussspuren um die Huette. Ich wollte nichts weiter als schlafen, doch daraus wurde nichts. Ich musste mit aufs Revier. Lange Stunden der Befragungen folgten. Die Erklaerung des Polizeioffiziers hoerten sich simpel an: 1. wohne ich in White City, dem gefaehrlichsten Stadtteil Gaberones, 2. leben in White City hauptsaechlich Zimbabwens, welche zum stehlen geboren seien, 3. haette ich Glueck gehabt, nicht zu hause gewesen zu sein, als die Einbrecher kamen… Am Nachmittag liess man mich gehen. Zurueck in meinem Haeuschen fiel ich – trotz offenem Fenster – in Tiefschlaf.
Abends um 8 Uhr klingelte mein Telefon: „Hey Dominik! Hier ist Ivan! Ich kenne Jemanden – einen Undercoveragenten – er hat Deinen Ausweis gesehen! Er will Dich treffen. Ich melde mich wieder. Shap.“ Wahnsinn…ein Agent hat meinen Ausweis gesehen! Warum nur gesehen? Hatte ich Tage oder wirklich nur Stunden verschlafen?

Samstag, 4.6.2005
„Dein Ausweis ist seit dem 15. Mai abgelaufen! Du hast nur fuer 3 Tage eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Du bist hier illegal! Weisst Du das?“ Schockiert blicke ich den Typen an. Ivan hatte mich in die Bar bestellt um den „Undercoveragenten“ zu treffen, der angeblich meinen Ausweiszu gesehen hat. Er hatte ihn gesehen. Erst am Mittwoch abend hatte ich das Maloer selbst entdeckt und bisher mit noch niemandem darueber gesprochen. Er musste meinen Ausweis gesehen haben. Neugierig hakte ich nun nach… doch der Typ, welcher sich selbst Andrew nennt, wiegelte ab. Erst sollte ich Schnaps, Bier und Zigaretten fuer ihn, Ivan und mich besorgen, dann koennte man ueber alles weitere reden. Ich tat wie mir geheissen. Neugier wuchs in mir. Was nun folgen mag? Nachdem er Schnapps und Bier in fast einem Zug gelehrt hatte, erklaerte er mir, das er meinen Ausweis gesehen haette – was ich ja nun schon wusste – und das wenn die CID (die regulaere oertliche Polizei) meinen Ausweis finden wuerde, sie mich erst mal einlochen wuerde, bis die Sache mit meiner Legalitaet geklaert sei. Ich braeuchte mir aber keine Sorgen zu machen, schliesslich sei ich ein Freund von Ivan und Ivans Freunde seien auch seine Freunde. Er wird mir helfen und schon bald werde ich meinen Ausweis und alles andere wieder haben.
Andrew musste um die 40 Jahre alt sein. Er gab vor Kanadier zu sein, aufgewachsen sei er aber in England. Seine Mutter, sein Vater und auch der Rest seiner Familie seien beim Militaer. Er selbst ist mit 18 in die Armee eingetreten, war 7 Jahre bei der Marine. Sein erster grosser Einsatz war 1993 in Somalia. Die Britische Regierung habe ihn 1998 nach Botswana geschickt. Seit ein paar Jahren arbeitete er aber auch fuer die Regierung von Botswana. Nach einigen weiteren Bierrunden forderte er mich auf ihn zu begleiten. Er wolle mir einen Typen zeigen und sehen ob ich mich an ihn erinnere … Ich sagte ich haette um 4 Uhr einen Termien bei der Polizei um meinen Policereport entgegen zu nehmen. Er meinte das waere kein Problem, wir koennten vorher bei der Polizei vorbei gehen. Gesagt, getan. Ivan, der eine Apathie gegen jegliche Art von Polizei besitzt wartete in der Bar. Andrew und ich gingen zur Polizei. Dort erledigte Andrew ein paar Telefonate, sprach zu ein paar Polizisten … er benahm sich, als waere er hier zu hause. Die Polizeieinheit die wir aufsuchten und die fuer meinen Fall verantwortlich zu sein schien nennt sich C.I.D. Andrew erklaerte mir, das er offiziel als Informer fuer die C.I.D taetig sei, inoffiziell aber Agent der D.N.S (Diamond Narcotic Squard) waere. Die C.I.D bestehe angeblich nur aus koruppten Polizisten, weshalb ich hier besser niemandem trauen sollte. Als Agent der D.N.S nutze er aber die C.I.D-Stationen um Telfonate zu erledigen, Kontakt zur Basis zu halten und gelegentlich auch um hier zu schlafen. Kein Platz sei so sicher wie eine Gefaengniszelle. Mein Vertrauen in ihn wuchs.
Leider war keiner der fuer meinen Fall zustaendigen Polizisten vor Ort, so dass ich die Polizeistation ohne Papiere verlassen musste. Wir holten Ivan in der Bar ab und fuhren mit einem Taxi nach „Poppin“. Kaum aus dem Taxi ausgestiegen erkannte ich auch schon jenen besagten Jungen aus Gabs Sun wieder. Andrew ging geradewechs auf ihn zu und sprach zu ihm. Hey Schorn, wie geht’s? Ihr beiden kennt Euch?, und er zeigte auf mich. Schorn schuetelte mit dem Kopf, was eine glatte Luege war. Ich sagte, wir haetten uns doch am Donnerstag abend in Gabs Sun gesehen… Daraufhin schaute er mich unverstaendlich an. Andrew darauf lachend: „Hey Schorn, das ist der deutsche Junge, dem du den Laptop gestohlen hast!“ Schorn stimmte irritiert in das Lachen ein, als waere es ein guter Witz. Von nun an liess ich Schorn nicht mehr aus den Augen. Dieser Bastard war es also gewesen! Nun ergab alles einen Sinn… meine Kameras waren der Grund warum Schorn mich unbedingt mit einem der Maedchen verkuppeln wollte! Gluecklich nach wenigen Stunden so viel ueber den Verbleib meiner Sachen zu wissen, begann ich mich zu entspannen. Irgenwie hatte ich das Gefuehl, als wuerde sich nun alles wieder zu meinem Besten wenden…
Poppin ist eine etwa 150 Meter lange Strasse an der sich hauptsaechlich Bars und Alkoholverkaufsstellen (in Afrika ist Alkohol nur in speziellen Alkoholverkaufsstellen und nicht in Supermaerkten erhaeltlich…) angesiedelt haben. Andrew, Ivan und ich spazierten also in Poppin auf und ab und tranken Bier. In jeder Bar stellte mir Andrew eine menge Leute vor. Wenn niemand in unserer Naehe war, klaerte mich Andrew ueber die gegenwaertige Lage und die Beziehungen der Leute untereinander auf. Er zeigte mir die Leute die harte Drogen verkaufen, Leute die im Prostitutionsgeschaeft taetig sein und die Leute die Informanten der Polizei waeren. Manche Typen uebten alle Taetigkeiten aus. Auch Schorn war angeblich ein Informant der C.I.D. Hinzu kamen diverse verworrene verwandschaftliche Beziehungen. Am Ende hatte ich das Gefuehl das alle unter einer Decke stecken. Ausserdem deutete Andrew bei verschiedenen Leuten an, dass sie auch fuer die DNS arbeiten und ebenfalls das Haus von Schorn beobachten wuerden. Ich koennte davon ausgehen, das nichts in das Haus von Schorn oder aus dem Haus heraus gelangen wuerde, ohne dass die Leute vom DNS es nicht mitbekommen wuerden. Noch heute Nachmittag oder am fruehen abend wuerde ein Einsatzwagen kommen und das besagte Haus von Schorn (welches nur 50 Meter von Poppin entfernt sei) stuermen. Vor dem auftauchen der Polizei muessten wir allerdings verschwinden um Andrews Enttarnung – und damit sein Leben – nicht zu riskieren. Wir warteten also auf einen DNS-Mann der Andrew abloesen sollte. Alle 20 Minuten rief Andrew jemanden von einem Telefongeschaeft aus an (ein Telefongeschaeft ist ein kleiner Wagen oder auch nur ein kleiner Tisch mit einem Telefon drauf) – auf credit. Andrew hat naemlich weder ein Handy, noch Papiere und schon gar kein Geld bei sich…angeblich um sich als Strassengangster zu tarnen. …nebenbei gesagt ist ihm diese Tarnung auch perfekt gelungen…
Im Verlauf der 2 Stunden meines Aufenthaltes in Poppin begannen sich die Gemueter der Barbesucher zu erhitzen. Wenige hundert Meter von Poppin entfernt spielten naemlich im nationalen Zentralstation die Fussballnationalmannschaften von Botswana und Tunesien gegeneinander. Es stand 2:1 fuer Tunesien. Andrew war ueberzeugt das es nach dem Spiel zu wilden Auschreitungen kommen wird… internationale Spiele verliert Botswana eigentlich immer. Ein Grund mehr Poppin bald zu verlassen.
Irgendwann tauchte ein Typ auf und Andrew meinte das waere seine Abloesung. Andrew schlug vor nun Abstand zu nehmen. Gesagt, getan. Ein anderer Typ – welcher angeblich auch fuer die DNS taetig war – nahm uns und drei Maedels – welche Andrew eingeladen hatte uns zu begleiten – mit nach Tlokweng, einem Vorort von Gabarone. In Tlokweng gingen wir abermals in eine Bar mit einem groesseren Hinterhof. Am Feuer sitzend tranken wir einige Bier, waehrend Andrew Fleisch briet. Den Maedels wurde es als bald langweilig. Irgendwie hatten alle drei Interesse an mir, ich aber nicht das geringste uebrig fuer sie. Andrew wollte am liebsten alle drei gleichzeitig… Den Maedels war ausserdem kalt. Mir uebrigens auch. Als ich mittags um 2 zur Bar ging um Ivan und Andrew zu treffen, hatte ich einen halbstuendigen Ausflug erwartet. Ich hatte also nur T-Shirt, kurze Hosen und Sandalen an. (Hier in Afrika ist gerade Winter, das heisst die Sonne geht um 17:15 Uhr unter und es wird als bald bitter kalt …manchmal bis –5 Grad nachts.) Nach einer wilden Diskussion zwischen den Maedels und Andrew ueber die Dauer unseres Aufenthalts in Tlokweng verschwanden die Kirschen einfach. Mir war auch kalt und langweilig aber Andrew liess sich nicht so einfach ueberreden zurueckzukehren. Irgendwann gelang es mir dennoch Andrew zumindest zum verlassen der Bar zu ueberreden und wir verliessen diesen mir unheimlichen Ort. Ein Taxi konnte ich nicht rufen, da die Batterie meines Handys alle war und die Diebe auch mein Aufladegeraet geklaut hatten. Wir gingen also zu Fuss in Richtung Gabarone.
Nach einer Weile kamen wir an einem sehr traditionell aussehendem Haus (rund und mit Strohdach) vorbei und Andrew meinte, er muesse mir unbedingt Chebuku zeigen. Er klopfte an der Tuer in welcher als gleich eine alte Frau erschien. Er gab ihr 9 Puhla (etwa 1,5 Euro) und bekam dafuer 2 Tetrapacks a 1 Liter Chebuku. „Wir nennen das Zeug auch Shake Shake, weil man es vorher schuetteln muss! Aber zuerst musst Du oben die Ecke abknicken und die Luft raus lassen, sonst platzt es vielleicht.“ Ich tat wie mir geheissen und schuetelte das Zeug kraeftig. Dann oeffnete ich die Tuete einen Spalt um das Zeug trinken zu koennen. Boah! Das Zeug stank nach Kuhmist! Dann nahm ich einen tiefen Schluck von dem milchig aussehenden Gebraeu. Es schmeckte wie eine Mischung aus Bier, Schnapps, Wein, Milch und den Faekalien einer Kuh. „Wieviel Prozent hat das Zeug?“, fragte ich Andrew. „Keine Ahnung“, antwortete er, „das aendert sich den ganzen Tag. Man laesst das Zeug in der Sonne stehen und wartet ab bis es gut sein sollte…“ Mir war nun nicht mehr so kalt. Und vom Himmel blinckerten mich minuetlich mehr Sterne an. Nachdem wir unseren Chebuku gelehrt hatten, machten wir uns wieder auf den Weg. Bald kamen wir an eine beleuchtete Strasse, ueberall parkten Autos aus denen laute Musik schalte,… ein gewimmel von Menschen…der Geruch von Alkohol war nicht zu ignorieren. Hier und da konnte man Menschen beobachten wie sie viel Geld beim Wuerfelspiel oder Pool verloren. Auch dieser Ort war mir extrem unheimlich. Andrew, auch wenn er DER „Schimanski von Botswana“ war, erschien mir immer noch sehr suspekt. Und alle Leute stierten mich an – und wenn nicht mich, dann doch zumindest meine Haut. Nach einigen weiteren Bier konnte ich Andrew endlich ueberreden zumindest zurueck nach Poppin zu fahren. Ein Taxi war nicht erhaeltlich – wir versuchten es von einem oeffentlichen „Telefongeschaeft“… Letztendlich liess sich ein Typ ueberreden, uns fuer 50 Puhla nach Poppin zu fahren.
Zurück in Poppin trafen wir die Maedels wieder. Andrew begann sie wild zu beschimpfen, weil sie uns einfach in Tlokweng verlassen hatten. Auch seine Freundin war dabei (die ein Kind von ihm erwartet und im uebrigen die Cousine seiner Frau ist…). Mit ihr begann er sich nun zu streiten, weil sie behauptete, er haette mit seiner Frau telefoniert usw. Ich war an diesen Auseinandersetzungen nicht im geringsten interessiert. Viel mehr war ich enttaeuscht, weil die Polizei an diesem Tag nichts unternommen hatte, obwohl der Dieb meiner Sachen doch nun bekannt war! Andrews Entschuldigung war das Fussballspiel und die anschliessenden Krawalle. Auch in Poppin waren nun viel mehr Menschen zugegen als am Nachmittag. Jeder einzelne war stuerzen straff. Man schubste mich umher, betatschte meine Hosentaschen… ich wollte nur noch in meine Huette. Mir war kalt, ich war betrunken und ich war muede. Doch wie nach hause kommen? Inzwischen begannen die Menschen sich hier und dort zu pruegeln. Ich lief umher, fragte Leute nach Telefonnumern von Taxigesellschaften… keiner konnte oder wollte mir helfen. Ich begann Autos anzuhalten, fragte die Fahrer ob sie mich heimbringen koennten. Einer willigte ein. Ich stieg in das Auto … und Andrew sah es. Er stuerzte auf meine Mitfahrgelegenheit als waere der Typ ein Moerder der mich gerade entfuehren wollte. Nach einer heftigen Diskussion konnte ich Andrew ueberreden den Typen nicht zu verpruegeln. Ivan hatte uns am Nachmittag verlassen und Andrew eingeblaeut, ja gut auf mich aufzupassen und mich auf keinen Fall alleine zu lassen, bis er wieder zurueck sei. In was fuer eine unfeine Situation hatte ich mich da hineinmanoevriert..?! Ploetzlich kam eins der Maedchen auf mich zugerannt. Nicki, ihre Freundin, war verpruegelt worden. Heulend, mit gebrochener Nase, am ganzen Koerper Blut, sass sie hinter einer Theke in einer der Bars. Als Andrew das mitbekam wurde er erst richtig wild. Dann kamen 3 Tracks voller Soldaten mit langen Gewehren. Eine Bar nach der anderen wurde geschlossen. Die Leute standen nun alle auf der Strasse. Betrunken, Pruegelwillig, lachend und singend … was fuer eine verueckte Mischung! Irgendwann hatte ich Glueck und konnte einen Typen ueberreden mich heimzufahren ohne das Andrew es mitbekam. Sehr langsam taute mein Koerper in dieser Nacht auf. Aber meine Gedanken blieben eisig. Was fuer ein Tag! Was fuer eine verueckte Welt. Was fuer ein Alptraum.

Sonntag, 5.6.2005
Die Frage „Was mache ich nun?“ liess mir am Sonntag morgen keine Ruhe. Die Office (fuer Markus: fuer die Drehzeit habe ich die Office von Camel Thorn (Partnerfirma von Red Stone) als Residenz vorgezogen. Da sich die Crew hier jeden Morgen traf, konnte ich mir den Weg zur Arbeit und wieder nach hause sparen!) war zum ersten mal seit Monaten menschenleer. Einsam trank ich meinen morgendlichen Kaffee. Das 6 Polizisten oder Agenten oder was auch immer noch immer Schorns Haus bewachten hielt ich fuer voellig ausgeschlossen. Ich ging also zur Polizei um in Erfahrung zu bringen was nun passieren wird. Um jeden Preis wollte ich meine Sachen wieder haben. Ich musste sie wieder haben. Schliesslich bin ich nach Afrika gekommen um Filme zu machen. Und wie sollte ich das ohne Kamera bewerkstelligen? … Der einzige Polizist den ich bei der C.I.D traf, sass traege in seinem Stuhl. Ich erzaehlte ihm meine Geschichte, einigermassen aufmerksam hoerte er mir zu. Als ich fertig war, wollte er wissen wer Andrew sei. Ich versuchte ihm Andrew zu beschreiben, aber ein solcher Typ schien ihm voellig unbekannt zu sein. Wenn man Andrew einmal gesehen hat, vergisst man nicht wieder was man gesehen hat. Ein weisser Canadier mit einem narbenuebersaeten Koerper und Andrews habitus ist einfach einzigartig. Das machte mich stutzig. Noch gestern war ich mit Andrew hier gewesen und er hatte sich benommen als waere er hier zu hause! Der Polizist meinte ich solle am Montag wieder kommen, dann sei bestimmt jemand da der mir helfen koennte. Enttaeuscht ging ich wieder nach hause. Das konnte ich so nicht auf mir sitzen lassen. Ich telefonierte mit Sadia. Ivan ging nicht ans Telefon. Entweder wir fanden eine Loesung oder ich musste zur Zentrale der C.I.D.. Um 2 pm holte mich Sadia ab und wir fuhren zu Ivan. „Ivan“, sagte ich, „lass mich nie wieder allein mit Andrew!“. „What happend?“ fragte er und wir fuhren nach Poppin, an jenen Ort, an den ich eigentlich nie wieder zurueckkehren wollte. Wir fuhren vor und Andrew schien schon auf mich zu warten. Mit rotem Gesicht stuerzte er auf unser Auto zu. „Da ist ja der feige Deutsche! Ich weiss nicht was ich jetzt mit Dir anstelle! Wie konntest Du mich gestern alleine lassen! Nicki, Zappo und meine Freundin sind verpruegelt und beraubt worden!“ Ivan versuchte Andrew zu beruhigen, doch das schien diesen nur noch mehr in Fahrt zu bringen: „Meiner Frau hat man in den Unterleib getreten, sie hat heute Nacht unser Kind verloren! Sie liegt jetzt im Krankenhaus! Du feiger Idiot! Mit 7 Typen musste ich alleine fertig werden! Ich dachte wir waeren Freunde!“ Ivan nahm Andrew beiseite: „Komm lass uns ein Bier trinken gehen und Du erzaehlst mir was passiert ist!“ Dann verschwanden beide und Andrew schrie mir noch ueber die Schulter zu: „Du hast morgen frueh um 8 einen Termin bei der CDI, weißt Du das?! Und sei puenktlich!“. Sadia und ich fuhren ins Kino. 2 Stunden Verdraengungszeit, dann war der Gedanke wieder da: „Was mach ich nur?“.

Montag, 6.6.2005
Um punkt 8 Uhr erschien ich bei der Polizei, die Socken voll Angst vor Andrews Reaktionen. Die Autoszene vom Vortag hatte mir arg zugesetzt. Andrew erwartete mich bereits. Die letzte Nacht, hatte er scheinbar wieder in einer der Zellen zugebracht. Ich sagte ihm, dass es mir um sein Kind leid taete. Er entschuldigte sich fuer sein Verhalten vom Vortag und bat um Verstaendnis. Er war wie verwandelt. Ivan schien ihn wirklich beruhigt zu haben. Gegen 9 erschien Abel, der fuer meinen Fall zustaendige Polizist. Er bat eine Sekraeterin nochmals ein Protokoll zu erstellen. Ich wartete solange in dem sehr heruntergekommenen Warteraum fuer „Besucher“. Als mein Protokoll fertig war, zeigte man es mir. Mitnehmen durfte ich es aber noch nicht, weil der Station Commander es noch nicht unterschrieben hatte. Und dieser sollte erst wieder gegen 14:00 Uhr zu gegen sein. Andrew sagte, wir muessten reden und lud mich auf meine Kosten zum Fruehstueck ein. Andrew meinte, er wuesste wo es guten Bri gaebe und eh ich mich versah, war ich auch schon wieder in Poppin. Wieso verdammt werde ich immer wieder von diesem teuflischen Ort angezogen? Andrew orderte Schnapps und Bier, dann begann er ein riesiges Stueck Fleisch zu braten.
Die DNS plane das Haus von Schorn am Mittwoch hochgehen zu lassen, beruhtigte mich Andrew. Die Ware sei eh viel zu heiss, als das sie jetzt von jemandem gekauft wuerde. Man muesse den richtigen Moment abpassen, es sei eine schwierige Situation, alles haengt von vielen Faktoren ab – mehr koenne er vorerst nicht sagen. Ein Zeitungslieferant hielt an und Andrew erwarb die neuste Ausgabe der Sunday Standart. Der Artikel auf der ersten Seite brachte ihn voll in Fahrt. Es ging um einen Professor Dr. Good, welcher letzte Nacht verhaftet worden sei und aufgrund von Prostitutionsgeschaeften wahrscheinllich demnaechst des Landes verwiesen wird. Andrew geriet beim Lesen des Artikels voellig ausser sich. Er erklaerte mir nicht genau inwiefern, machte aber deutlich, dass dieser Erfolg auch ihm zu verdanken sei. …ich war mir nicht sicher ob ich ihm diese Geschichte glauben konnte…
Nachdem wir ausfuehrlich die Ereignisse der letzten Nacht, den Tod seines Babys und den Leitartikel der Sunday Standart diskutiert hatten, machte ich Andrew klar, dass ich ihm fuer seine Hilfe echt dankbar bin, ich aber nun zurueck zur Office und zur Arbeit muesste. Er solle mir Bescheid geben, wenn es Neuigkeiten in meinem Fall gaebe. Andrew meinte er haette versprochen auf mich aufzupassen, ausserdem muesse er eh mit George reden – es waere also das beste mich zur Office zu begleiten.
In der Camel Thorn Office trafen wir Ernst Engels, den Eigentuemer von Camel Thorn and Media Trust. Er gegruesste uns herzlich und stellt sich Andrew vor. Darauf erwiederte Andrew das er ihn bereits kenne. 6 Monate haette er ihn beobachtet. Dann zaehlte Andrew einige Namen von Clubs und Personen auf, was Ernst zum schweigen brachte. Ernst meinte dann er muesse sich jetzt erstmal ein Bier holen und verschwand in der Kueche. Er tauchte nicht wieder auf. Andrew hatte ihn wahrlich in die Flucht geschlagen. Spaeter erzaehlte mir Andrew, dass Ernst frueher in Drogengeschaefte verwickelt gewesen sei und das er auf kleine Maedchen und Jungs stehen wuerde. Das schockierte dann auch mich. Als Sadia kam, benahm sich Andrew abermals wie verwandelt. Er war hoechst freundlich und bat Sadia und mich doch einen Blick auf ein paar Gemaelde einer Kuenstlerin zu werfen, die er sehr verehrte… Sadia willigte ein und wir besuchten die Kuenstlerin. Wenn Andrew auch ueberall mitdiskutieren konnte, auf dem Gebiet der Kunst war er eine echte Niete. Er sprach von Bildern die mindestens 6000 Puhla Wert waeren… das Maedchen waere froh gewesen, wenn wir ihr 10 gegeben haetten. Sadia und ich fuhren wieder zur Office, Andrew blieb. Das Maedchen Puni tat mir leid.
Auf dem Heimweg kaufte ich ein Ladegeraet fuer mein Handy. Endlich war ich wieder unabhaengig…

Dienstag, 7.6.2005
Um Punkt 8 Uhr morgens erschien ich abermals auf der Polizei. Ich hatte eine schlaflose Nacht hinter mir. Die Geschichte mit den 6 DNS-Agenten die angeblich Schorns Haus bewachten, wollte ich einfach nicht glauben. Warum sollte die Polizei 6 Leute abstellen um meine Kameras zu bewachen. Und was war so schwierig daran einfach mal nachzuschauen ob meine Kameras wirklich in Schorns Haus waren? Und auch Andrews Position und Status bei der Polizei erschien mir sehr merkwuerdig. Was, wenn er mit Schorn unter einer Decke steckte? Ich beschloss also direkt zum Station-Comander zu gehen und ihm meine Story zu erzaehlen. Ausserdem hatte ich immer noch keinen Policereport.
Abel erwartete mich bereits. Mein Report sei gerade in Arbeit, ich muesse mich nur einen Augenblick gedulden. Nach einer halben Stunde erschien er mit meinem Papier. „Prima!“, sagte ich, aber ich muesse mit dem Comander sprechen und erlaeuterte ihm kurz mein Problem. Er holte den Comander und einen anderen leitetenden Polizisten und ich begann meine Geschichte vorzutragen. Ich wollte wissen wer Andrew sei und was nun in meinem Falle passieren wuerde. Ich hatte noch gar nicht richtig begonnen da erschien Andrew in der Tuer. Als er mich mit dem Comader erblickte bekam er ein hochrotes, wuetendes Gesicht. In wenigen Saetzen machte er allen Anwesenden klar, das er hier der Boss sei. Der ganze Fall waere eine Sache der DNS und die CID habe sich da gefaelligst rauszuhalten. Es ginge hier nicht um einen Laptop und zwei Kameras. In dem besagten Haus befaenden sich auch harte Drogen, Waffen und vieles andere mehr. Die DNS arbeite seit einem halben Jahr an dem Fall. Menschenleben und Identitaeten von Agenten staenden auf dem Spiel. Ich wuerde nun alles gefaehrden indem ich koruppten Polizisten alles erzaehlen wuerde. Man habe vor, das Haus am Mittwoch zu stuermen. Es ginge hier um die Verhaftung von Darko, Jeff und Big Dan, und diese Fische waeren zu gross fuer die CID. Bei der Erwaehnung der Namen frohren allen Anwesenden die Gesichter ein. Der Comander hob seine Hand und winkte uns raus. „Go!“ sagte er zu mir. Was fuer eine Hilfe!
Auf dem Hof schnautzte mich Andrew erstmal ordentlich zusammen. Was ich da getan haette waere unverzeilich. Wenn der Station Comander nun bei seinem Boss anrufen wuerde bekaeme er maechtig Aerger. Er haette mir und der CID nun schon zuviel erzaehlt und nun waere das ganze Projekt in Gefahr. Ich erklaerte Andrew, den ich nun langsam wirklich satt hatte, das ich mit meinem Papier nun zur Imigration Office wollte, schliesslich braeuchte ich nun eine Aufenthaltsgenehmigung. Er sagte „fein, da komme ich mit und helfe Dir!“ Was sollte ich da Antworten? Ich sagte auch „fein“, schliesslich brauchte ich den Typen um meinen Krempel wieder zu bekommen. Das mir die CID nicht helfen wuerde hatte ich nun mitbekommen.
Andrew und ich fuhren also in die Stadt. Auf der Imigration Office erklaerte man mir, dass ich erst ein Dokument der Deutschen Botschaft benoetige, damit man mir weiterhelfen koenne. Oh Shit! Die Papier-Buerokratie hat auch vor Botswana nicht halt gemacht! Nun wollte ich wieder nach hause und endlich anfangen zu arbeiten. Doch wie sollte ich Andrew loswerden? Ihn nochmals zur Office mitnehmen wollte ich auf gar keinen Fall! Wir riefen erstmal ein Taxi. Ich dachte mir, ich fahre mit Andrew mit – wohin auch immer er will – und dann nehme ich mir ein eigenes Taxi und fahre nach hause. Aber Oh-Schreck, ich fand mich als bald in Poppin wieder – der letzte Ort in der Welt an dem ich mir wuenschte zu sein! Andrew bat mich darum Bier zu kaufen und ein paar Schnaeppse. Wir koennten jetzt schliesslich entspannen. Das besagte Haus wuerde als bald gestuermt. Ich gab mein Ok fuer ein Bier, dann wollte ich aber wirklich zurueck zur Office. Schliesslich war ich hier um mit George zu arbeiten und nicht um mit Andrew meine Zeit zu vertroedeln. Kaum war ich aus dem Alkoholgeschaeft raus, da parkten vor meiner Nase drei grosse Autos. Gut gekleidete Italiener, Griechen oder was auch immer stiegen aus. Goldkettchen, Ringe an den Fingern, Sonnebrillen tief ins Gesicht geschoben und minikleine Handys in der Hand…. Sie sprachen sich gegenseitig mit Jeff, Big Dan und Darko an. Und ich wurde nicht wieder. Genau von diesen Jungs hatte Andrew heute morgen gesprochen! Nun lernte ich die Mafiabosse also persoenlich kennen… Schorn war auch zugegen. Er spielte ihren Sam, holte ihnen Bier und Zigaretten und so weiter. Nach Andrews Auskunft war er der Sohn von Jeff. Alles begann wieder einen Sinn zu ergeben. Ich hatte also Glueck gehabt, das mein Zeug von einem Dieb gestohlen wurde, dessen Vater ein Mafiaboss war, welcher seit 6 Monaten von der DNS bespitzelt wird. Wenn es ein unbedeutender Kleingangster getan haette, haette ich wohl nie erfahren was mit meinen Kameras passiert ist. Gerade nachdem Andrew mich vorgestellt hatte – was ziemlich schleimig und aetzend war – weil die Typen schliesslich meinen Reisepass und mein Foto darin bereits gesehen haben mussten – klingelte mein Telefon. Abel war am Aparat, er meinte der Station Comander wollte mich unbedingt sprechen. Ich legte auf und Andrew fragte wer es gewesen sei. Dumm wie ich war, plautzte ich vor den Typen mit der Wahrheit herraus… Einen Moment schienen sie irritiert. Dann erklaerte Andrew ihnen das man mir meinen Ausweis gestohlen haette und das ich nun illegal hier im Land sei. Darauf hin fingen die Bosse an zu lachen und erklaerten mir, ich solle mich lieber von der Polizei fern halten. Wenn die mich ohne Ausweis erwischen wuerden, kaeme ich so schnell nicht aus einer fuer mich reservierten Zelle wieder heraus. Das mit dem „reserviert“ hoben sie als gleich wieder auf und erklaerten das in diesen 10 qm Zellen gewoehnlich bis zu 25 Leute gehalten werden und das ich diese Erfahrung bestimmt nicht machen moechte. Ob ich wollte oder nicht, ich musste ihr Spiel nun mitspielen. Wir tranken also Bier und die Mafiosos sprachen uebers Geschaeft… das Laptops zur Zeit ganz gut laufen wuerden und lauter so Kram… Ich hatte absolut die Nase voll von dem Ganzen und schlich mich aufs Klo. Ich schrieb Sadia eine SMS – sie musste mich hier raus holen! Kaum hatte ich die SMS versand, da stand auch schon Schorn hinter mir und fragte, warum ich so lage brauchen wuerde…
Sadia tauchte nicht auf. Statt dessen lud Darko Andrew und mich zum Mittag ein. Wir fuhren mit seinem Wagen zu einer anderen Mall namens Cofifi. Darko kaufte Fleisch und Brot. Gebraten wurde wie immer auf einem Grill auf der Strasse. Das ganze nennen sie dann Bri. Waehrend Darko Fleisch kaufte, erklaerte mir Andrew das Darko Serbe sei und schon mindestens 10 Botswanesen auf dem Gewissen haette. Ausserdem besaesse Darko mehrere botswanische Paesse und Identitaeten, weshalb er schwer zu kriegen sei. Darko besaesse angeblich Sexlokale in Suedafrika, Swasiland, Simbabwe, Malawi und Sambia. Wenn es Probleme in Darkos Heimat gibt, fliegt der Typ nach hause und killt ein paar Leute. Auf seiner Farm in Gabaron zuechtet er Magic Mushrooms. Und ausserdem sei er verantwortlich fuer den Tod von Ivans Bruder, weshalb auch Ivan ein Interesse daran habe diesen Typen zu verknasten. Das klang alles sehr schauerlich. Darkos freundliches auftreten liessen eine solche Geschichte absurd erscheinen. Der Typ war die Ruhe in Person, das ganze Gegenteil von Andrew. Andrew hoert nie auf zu erzaehlen, Darko hoert zu und fragt sogar nach! Am meisten interessierte er sich fuer das Deutsche Fernseh. Ob die alles zeigen wuerden oder ob es da Restriktionen gaebe und wenn, dann was fuer welche? Asserdem interessierte er sich sehr fuer die Stasi und ob die noch aktiv waere und ob ich da Kontakte haette…? So langsam kam ich mir vor, wie in einem sehr schlechten Film… ein guter konnte es nicht mehr sein, bei der Rolle die ich da einnahm.
Am Nachmittag setzte mich Darko an der Camel Thorn Office ab. Nach wenigen Stunden mit Andrew war ich fertig mit der Welt.

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The Botsuana-Adventure II (2005)

Mittwoch, 8.6.2005
Um Punkt 8 Uhr morgens klopfte es energisch an meiner Tuer. Wer konnte das sein? Ich oeffnete und Andrew stand vor mir. „Oh nein!“ schrie eine Stimme in mir. „Guten morgen!“ sagte ich laut. „Wir haben letzte Nacht das Has gestuermt!“ verkuendete Andrew freudestrahlend. „Juhu!“, jauchzte ich. Alles wird ein baldiges gutes Ende haben! Doch das war ein Fehlalarm. Man hatte nicht „mein“ besagtes Haus gestuermt sondern ein benachbartes. Doch bis Andrew damit rausrueckte, hatte er bereits ein paar Kaffee in der Office zu sich genommen und einige meiner Zigaretten geraucht. Ich erklaerte ihm daraufhin das ich nun zur Deutschen Botschaft fahren werde, um meinen Papierkram in Ordnung zu bringen. „Fein!“, sagte Andrew wieder, „ich komme mit!“. Diesen Typen werde ich einfach nicht los, dachte ich und bestellte ein Taxi.
Vor der Botschaft trafen wir einen gut gekleideten Mann und Andrew erklaerte mir, das der Typ der Chefredakteur der Sunday Standarts sei. Ich wollte es erst nicht glauben, aber auch mit diesem Typen sprach Andrew als sei es ein alter Schulfreund. Beide unterhielten sich eine Weile ueber die „Prof. Dr. Good Geschichte“. Andrew kritisierte einige veroeffentlichte Fakten. Viel Verstand ich nicht von dem was hier vor sich ging.
Auf der Botschaft war man dann sehr freundlich zu mir. Ich musste 2 Stunden warten, was ich dann auch gemeinsam mit Andrew tat. Um die Zeit angenehm zu vertreiben waren natuerlich wieder ein paar Bier noetig. Wir setzten uns auf 2 leere Bierkisten und Andrew erklaerte den herumstehenden Strassenjungen wie man ein Gewehr benutzt, ein Haus stuermt und lauter solche Sachen. Um seine Lehrstunde praktisch zu halten, operierte er mit einem Besen. Was man ueber ein Gewaehre alles erzaehlen kann! Die Jungs waren fasziniert.
Waehrend ich meine Papiere holte, erledigte Andrew wieder ein paar Telefongespraeche. Als ich zurueck kam, meinte er, er haette mit seiner Chefin gesprochen. Sie sei auch in der Lage mir den noetigen Stempel zu verpassen. Es waere also am sinnvollsten wenn ich mit ihm zur DNS kaeme. Dann koennte ich mal sein Buero sehen und alles waere viel unkomplizierter. Ich willigte ein und wir organisierten ein Taxi. Im Taxi erklaerte mir Andrew dann, dass wir den Termin bei seiner Chefin erst um 2 pm haetten und am besten solange in Georges Place warten sollten. Was sollte ich da sagen? Georges Place ist eine mittelgrosse Kneipe ohne Fenster. Als wir ankamen deute Andrew auf ein Auto. „Das gehoert dem fuenftreichsten Mann in Botswana!“ Ich wollte es nicht glauben. Doch als wir rein kamen, nahm Andrew Platz neben einem Typen an der Bar, der 2 Flaschen vor sich stehen hatte. Eine extrem teure Art von Jonny Walker und eine Karawane Wasser. Andrew begann mal wieder ueber Kunst zu reden und der Typ bestellte Bier fuer uns. Nach einer Weile kam ein anderer Typ rein, der mir als Lance vorgestellt wurde. Ein 2meter Mann, das reinste Muskelpacket. Als er mir die Hand schuetelte haette ich fast losgeschrien. Spaeter erklaerte mir Andrew das Lance ein noch gefaehrlicherer Typ sei als Darko aus Serbien. Ich fragte mich nur noch, was noch passieren muss, bis ich den Verstand verliere.
Aus irgendeinem Grund wurde aus dem Treffen mit der DNS-Leiterin nichts. Andrew wurde von einem teuren weissen Auto mit Chafeur abgeholt. Ich nahm ein Taxi nach hause.

Am Abend stand Andrew wieder am Tor. Sadia, Nametso und Peo waren noch in der Office. Ich raeumte schnell das gesamte Bier, den Wein und die Zigaretten weg. Andrew wuerde erst gehen, wenn er alles verputzt haette… Die anderen flehte ich an, ihn ja nicht zum Bleiben aufzufordern… dann oeffnete ich ihm das Tor. Freudestrahlend und relaxed erklaerte mir Andrew, das man „mein“ besagtes Haus nun gestuermt haette. Mein Zeug sei von der DNS sicher gestellt worden. Er waere nun gekommen, um von mir eine Liste der Dinge zu bekommen, die man mir gestohlen habe, damit er sicher stellen kann, dass ich auch alles wiederbekaeme. Ich schrieb ihm schnell eine Liste zusammen, aber Andrew war absolut nicht in der Stimmung wieder zu gehen. Scheinbar wollte er die Nacht ueber bleiben. Sadia zeigte dann etwas clevernes und erklaerte Andrew, dass sie mich fuer den Abend zu sich eingeladen haette und das er nicht alleine in unserer Office bleiben kann. „Okey, kein Problem!“ sagte Andrew, aber es waere doch nett, wenn wir ihn bei sich zu hause absetzen koennten. „Na klar“, sagte Sadia, froh darueber eine Loesung gefunden zu haben, „wo wohnst Du denn?“
Irgenwo in Block 5 (by the way: die Stadtviertel und Strassen in Gabarone tragen nur Nummern!) setzten wir Andrew dann ab. Ich war davon ueberzeugt, dass das nicht wirklich sein zu hause war. Wahrscheinlich war es irgenjemandes Haus, vielleicht das eines Freundes – wer weiss.
Dann begann ich zu spekulieren, dass ich Andrew nun vielleicht nie wieder sehen wuerde. Warum sollte er mir meine Kameras wiedergeben und sie nicht behalten? Verzweifelt schlief ich in jener Nacht ein.

Donnerstag, 9.6.2005
Am Donerstag begann ich endlich wieder zu arbeiten. Fuer die Bearbeitung des gedrehten Materials steht uns kaum Zeit zur Verfuegung. Es gibt also jede Menge zu tun. Meine mir anvertraute Aufgabe besteht vorerst darin, 180 Tapes zu digitalisieren und einen Rohschnitt anzufertigen. Genug Arbeit also, fuer mindestens 2 Monate. Fast eine Woche hatte ich bereits verschwendet. Nun tat es unheimlich gut, endlich wieder etwas sinnvolles zu machen. Ich nahm mir vor auf Alkohol und Zigaretten die naechsten Tage zu verzichten. Die Trinkerei mit Andrew hatte mich naemlich ganz schoen mitgenommen. Gegen Mittag erhielt ich einen Anruf von Andrew. Er haette jetzt Papierstress, muesse Berichte schreiben und so weiter. Sobald er meine Sachen haette, gebe er mir bescheid. Ich war erleichtert.

Einen Anruf etwa gleichen Wortlautes erhielt ich auch am folgenden Tag. Am Samstag meldete er sich gar nicht. Langsam begann ich mir zu wuenschen, das sich dieser Typ doch wieder melden moege… ich konnte es selbst nicht glauben das ich das zu denken vermochte. Es war wohl eher die Sensucht nach meinen Sachen, die mich dies denken lies. Ich wollte endlich Gewissheit haben.

Sonntag, 12.6.2005
Gegen 18:00 Uhr klingelte mein Telefon. Andrew war am Aparat. Ich war ueberrascht. Gerade hatte ich ihn und meine Sachen fast vergessen… Er meinte ich solle vorbei kommen und meine Sachen abholen. Alles waere in seinem Haus. Ich rief also ein Taxi und fuhr zu ihm. Die Adresse gab er dem Taxifahrer per Telefon. Das Taxi hielt vor einem Tor. Ich stieg aus und ein Mann winkte mich auf einen Hof. In einer Ecke des Hofes erblickte ich Andrew. Mit der einen Hand betaetschelte er das Knie einer Frau – die ich bis dato noch nicht gesehen hatte. Mit der anderen Hand umklammerte er eine Plastikflasche. Er begruesste mich mit einem lauten „Hey, da ist ja der Stasijunge aus Ostdeutschland!“ Dann erklaerte er der Frau und dem Barkeeper – der neben Andrew wachte falls dieser etwas braeuchte – das mich die Russen trainiert haetten und das sie aufpassen sollten, was sie zu mir sagten. Ich koenne sonst sehr gefaehrlich werden… Ganz offensichtlich war Andrew schon ziemlich high. Ich fragte ihn, was in der Flasche sei – woraufhin er mir zeigte, wie man Verduenner schnueffelte. Ich wollte eigentlich nur mein Zeug abholen, aber Andrew schien sich weder von der Frau noch von dem Verduenner trennen zu koennen. Die naechsten 2 Stunden verbrachte ich also damit, mich in Ignoranz zu trainieren und weder den Verduenner zu bemerken, noch Andrew wie er mit der Frau rumknutschte, noch die beiden Hunde neben uns, welche einen wilden Sextanz auffuehrten. Der Barkeeper, welcher von allen auch Soldier genannt wurde, blickte mich unentwegt mitleidig an… Als der Verduenner endlich seine Anziehungskraft verloren hatte und auch die Frau nach hause musste, um nach ihren Babys zu schauen, kam Andrew endlich auf die Idee doch auch nach hause gehen zu wollen. Wir brachen also zu Fuss auf und liefen zu seinem Haus. Als wir ankamen war ich erstaunt, dass ich vor dem gleichen Haus stand, vor dem Sadia und ich Andrew am Mittwoch abgesetzt hatten. Es scheint also doch etwas wahres an der Geschichte zu sein, dachte ich.
In dem Haus leben – nach Andrews Auskunft – noch 5 weitere Agenten der DNS. Im Vorgarten und im Hof des Hauses tummelten sich mehrere Pitbulls. Beim Durchqueren versuchte ich moeglichst nah an Andrew zu bleiben. Diese Biester waren Killermaschienen. Rund um das Haus herum standen mehrere Pumpguns. „Fuer den Ernstfall!“ erklaerte Andrew. Dann kochte er mir einen Kakao. Mein Zeug befinde sich im Zimmer seines Kollegen und dieser sei dummerweise gerade nicht da. Andrew hatte den Kram nicht in seinem Zimmer aufbewahren wollen, da Tuer und Fenster aufgebrochen seien. Auch wenn sie Pitbulls haetten, waeren meine Sachen doch in Impos Raum besser aufgehoben. Und dieser sollte doch bald auch wieder kommen. Waehrend wir nun auf Impo warteten, zeigte mir Andrew das Haus und die verschiedenen Fluchtwege fuer den „Ernstfall“. Es gab sogar Tunnel zu den Nachbarhaeusern. Ein Platz also, an dem man sich sicher fuehlen koenne, meinte Andrew. Danach sahen wir den Film „Black Hawk Down“. Der Film handelt vom Buergerkrieg in Somalia und einem Spezialeinsatz der Amerikaner. Es war Andrews Lieblingsfilm, er kannte jeden Satz auswendig. Andrew war ueberzeugt, das jede Scene im Film der Wahrheit entspreche, schliesslich sei er damals auch da gewesen… Gegen 2 Uhr morgens hatte ich genug von der Warterei und nahm ein Taxi nach hause.

Mittwoch, 15.6.2005
Als ich am Mittwoch (15.06.2005) immer noch nichts von Andrew gehoert hatte, rief ich Sadia an und bat sie doch nochmal bei Andrews Haus vorbei zu fahren um seine Festnetznummer herauszubekommen. Als ich unter besagter Nummer dann anrief, teilte mir eine weibliche Agentin, welche ich in Andrews Haus am Sonntag kennengelernt hatte, mit, dass Andrew einen Autounfall gehabt haette und nun mit gebrochenen Beinen im Kankenhaus liege. Von meinem Zeug wisse sie nichts. In ihrem Haus befaenden sich aber ganz bestimmt keine Kameras…

Das war das letzte was ich gehoert habe. Nun bleibt mir wieder nichts uebrig als zu warten… und wer weiss, vielleicht meldet sich Andrew nie wieder.

Wer sich nun fragt, warum ich diesem Typen solange gefolgt bin und warum ich ihm soviel Bier gekauft habe, dem kann ich nur sagen: Er war meine einzige Chance meine Sachen wieder zu bekommen. Ich konnte die Chance nutzen und hoffen – oder meine Sachen gleich abschreiben. Da ich aber weder das Geld noch die Moeglichkeit habe in Botswana Kameras zu kaufen, wie ich sie bessesen hatte, habe ich die Option genutzt und bin Andrew gefolgt. Ausserdem haette ich nie gedacht, dass sich die Geschichte solange hinziehen wird. Schliesslich hatte er mir bereits am Tag erklaert, dass in wenigen Stunden das besagte Haus gestuermt werden solle…

***

Hey Folks!

Nun verweile ich schon seit 4 Monaten in Gabs und es ist mal wieder an der Zeit, Euch auf den neusten Stand der Dinge ueber meinen Verbleib zu bringen. Viele Emails haben mich seit der letzten BotswanaMail ereilt, nicht alle konnte ich ausfuehrlich beantworten. Viele Fragen wiederholten sich auch und so manches mal hatte ich den Eindruck, dass ich mich doch nicht so auf den Buschfunk daheim verlassen kann… Um alle offen gebliebenen Fragen zu beantworten und um saemtliche Missverstaendnisse aus dem Weg zu raeumen, hier zur allgemeinen Information eine Zusammenfassung der Geschehnisse die mich seit der letzten ZwanaMail ereilt haben:

Re Bina Mmogo, kurz RBM

…ist das Projekt an dem ich seit meiner Ankunft hier in GC arbeite. „Re Bina Mmogo“ heisst soviel wie „Lasst uns zusammen tanzen!“. Wer das MakingOf gesehen hat, weiss aber: „it has a deeper meaning“… RBM ist ein 13teiliges Drama. Jede Folge ist 26 Minuten lang. Im Mittepunkt stehen die Mitglieder einer traditionellen Tanzgruppe und ihre typisch botswanesischen Alltagsprobleme … sprich Generationskonflikte, Aids, ungewollte Schwangerschaften, Armut, Sehnsucht nach Erfolg und Wohlstand, … usw.

RBM ist das groesste Projekt welches das botswanesische Fernseh (kurz BTV genannt) jemals an eine botswanesische Produktionsfirma in Auftrag gegeben hat. Da das botwanesische Fernseh aber erst seit 10 Jahren Bestand hat, ist das vielleicht auch nicht weiter verwunderlich… Nichts desto trotz, gab es noch nie eine Spielfilmserie die sich mit dem Leben der Botswanesen auseinander gesetzt hat, weshalb hier alle mit einem riesen Erfolg rechnen. Allerdings ist es hier in Botswana noch nicht moeglich die Einschaltquote zu messen, weshalb Erfolg eigentlich von der Presse abhaengt, die man nachher bekommt…

Das Budget gestattete 42 Drehtage, d.h. 3,5 Drehtage pro Folge, was nicht besonders viel ist… Um so mehr ist die Qualitaet zu wuerdigen, die das gedrehte Material an den Tag legt. Der gesamte Dreh war also sehr taff strukturiert und verlief reibungslos,… was an ein Wunder grenzt, wenn man bedenkt das Afrikaner ein anderes Zeitgefuehl besitzen… Da ich leider erst am 13 Mai hier eintraf, habe ich nur 3 Wochen dieser aufregenden Zeit miterleben koennen.
… danach ereilten mich die Geschehnisse, welche ich bereits in meiner letzten Mail ausfuehrlich geschildert habe…

Andrew, hier auch genannt „Double O Seven“

Andrew, mein DNS-Spezial-Agent, hat sich Gott sei Dank aus meinem Leben verabschiedet. Nachdem ich mich ueberall nach ihm und seiner Identitaet erkundigt hatte, bekam ich noch ein paar Drohanrufe von ihm (…das ich Nachts gut schlafen soll und solche Sache…) und das war es dann. Andrew war tatsaechlich einmal fuer die DNS taetig gewesen. Nachdem aber seine Drogensucht und die damit verbundene geistige Verwirrtheit ueberhand genommen haben, hat man sich bei der DNS von ihm losgesagt. Jetzt ist er noch ein kleiner Informant, der sich ab und zu durch die Weitergabe von Infos aus dem Drogenmillieu ein paar Puhla verdient.
Ob und in wieweit Andrew in den Diebstahl meiner Sachen verwickelt gewesen ist, kann ich schwer sagen. Im Hinterkopf habe ich da so eine Theorie wer noch und wie es gewesen sein koennte. Meine Kameras und die anderen gestohlenen Sachen werde ich aber wohl nicht wieder sehen.

RedStone, mein neues „Zuhause“

RBM wird von zwei Firmen produziert: CamelThorn und Red Stone. Waehrend der Dreharbeiten lebte ich in einem Haeuschen auf dem Grundstueck der CamelThorn Comany in White City. Da sich die Crew hier jeden morgen traf, hatte dies den Vorteil, dass ich mich morgendlich nicht weit bewegen musste um zum Platz des Geschehens zu gelangen. Nach dem Abschluss der Dreharbeiten (und meinen abenteuerlichen Erlebnissen mit Andrew) fuehlte ich mich in White City aber nicht mehr sicher. Das Grundstueck besass keinen elektrischen Zaun und die Alarmanlage setzte fast jede Nacht von alleine ein… Ausserdem beschloss mein Boss George, auch Big G genannt, die Postproduktion in der RedStone Office durchzuziehen. Ich zog also aus der Office in White City aus und in die RedStone Office in Phase II ein…

Die RedStone Residenz ist ein ganz schmuckes Haeuschen… eine Etage, kein Keller aber eine Veranda, eine grosse Kueche, ein Grossraumbuero, 2 seperate Schnittraeume, 2 Badezimmer und 2 Wohnraeume… den kleineren von beiden bezog nun ich. In dem anderen lebt Petra (zu ihr werde ich mich spaeter noch aeussern…). An die Veranda grenzt ein kleiner Garten und um das Haus herum fuehrt ein 2 meter breiter Fussweg, welcher wiederum von einer Mauer begrenzt wird. Der elektrische Zaun auf der Mauer gibt mir immer ein bisschen das Gefuehl in einem Gefaengnis zu wohnen,… auch wenn er nur meinem Schutz dient…
5 Minuten zu Fuss von Red Stone entfernt gibt es ein mittelgrosses modernes Einkaufszentrum, MalapoCross genannt. In dem dort ansaessigen Supermarkt gibt es so gut wie alle Lebensmittel zu kaufen, die man auch zu hause bekommt… ist alles nur ein bisschen teurer. Alkohol wird – wie schon berichtet – nicht in Supermaerkten verkauft, sondern nur in bestimmten Alkoholgeschaeften. Der Laden in Malapo heisst „Liquoerama“… Daneben beherbergt Malapo ein Sportgschaeft, eine Apotheke, einen Computerladen, 3 Friseurgeschaefte, mehrer Modebotiquen, eine Poolbar, ein Restaurante, eine Videothek (wobei diese nicht wirklich was zu bieten hat, ausser den aktuellen Schinken die es auch daheim gibt…) und noch so einige andere Laedchen. Zu allen Fragen ueber meine Versorgung sei hier also bemerkt: ich bin gut versorgt und hungere nicht!

Editing, oder was ich hier so treibe…

Nach dem Dreh und meinen Erlebnissen mit 007 begannen wir also mit der Postproduktion von RBM. Allen denjenigen die nicht viel ueber die Herstellung von Filmen wissen, sei das Wort Postproduktion hier kurz erklaert: Beim Dreh werden alle Scenen eines Filmes auf Tape aufgezeichnet. Dabei werden die Scenen aber nicht kontinuierlich nach dem Script abgefilmt sondern nach einer gewissen finanziellen und logistisch sinnvollen Logik. So wurden zum Beispiel alle Scenen welche in einem gewissen Friseursalon spielen in drei aufeinander folgenden Tagen aufgezeichnet. Das aufzeichnen einer einzelnen Scene folgt auch einer gewissen eigenen Logik. So wird zum Beispiel eine Scene erst aus der Weiten gefilmt (welche alle Schauspieler und die Location einschliesst). Dann werden Mittlere Einstellungen gefilmt und zum Schluss CloseUps, d.h. die Gesichtsausdruecke der Schauspieler, Nahaufnahmen bedeutender Gegenstaende u.ae.. Nach dem Dreh hat man dann einen Berg von Kassetten – und was dann?
Alles was danach folgt nennt man Postproduktion und dieser Prozess laesst sich im groben wieder in 2 Arbeitsschritte unterteilen: Ofline- und Onlineproduktion. In der Oflineproduktion wird das gesamte gedrehte Material (bei RBM waren das 180 Kassetten!) auf Computer gezogen, wir nennen das „capturen“. Scene fuer Scene, Take fuer Take wird das Material ueberspielt, in einzelne Clips zerlegt und fein saeuberlich beschriftet.
Dann beginnt der Rohschnitt. Der zustaendige Cutter (daheim Schnittmeister genannt) sucht sich die besten Takes und Clips einer Scene aus und versucht die Geschichte die es zu erzaehlen gibt zusammen zu stueckeln. Wie fuer ein grosses Puzzel sucht er sich nun die einzelnen Momente zusammen und versucht die Geschichte fliessend zu erzaehlen. Damit dies gelingt sind eine ganze Menge Regeln zu beachten, welche fuer mich alle komplett neu waren… Es gab also viel zu lernen! Die Taetigkeit des Zusammenschneidens laesst sich zweifellos als Kunst bezeichnen. Keine 2 Cutter auf der Welt wuerden jemals das gleiche Produkt erzeugen – selbst wenn sie es wollten, koennten sie es nicht!
Wenn der Rohschnitt einer Folge abgeschlossen ist, die Geschichte einer Scene bzw, der ganzen Episode also erkennbar fliessend erzaehlt wird, beginnt der Feinschnitt und damit die Onlinebearbeitung. Fuer die Onlinebearbeitung wird das gesamte Material nochmals auf einen speziellen Computer aufgezeichnet (- wir haben das hier jedenfalls so gemacht… ohne nun ins Detail zu gehen warum). Waehrend der Onlinebearbeitung wird die ganze Episode auf eine betimmte Zeit getrimmt (in unserem Falle 26 Minuten), der Sound wird durch Filter von Laerm gesaeubert so das die Dialoge sauber klingen, die einzelnen Clips bekommen Grafikfilter so dass die Farben leuchten und der Kontrast stimmt… und es werden natuerlich Geraeusche und Musik ergaenzt um die Scenarien lebendig wirken zu lassen. Abschiessend wird das ganze noch durch Untertitel, Titel und Schlussfrequenzen ergaenzt… und fertig ist eine Episode… Ich kann Euch sagen: in 13 Folgen steckt eine ganze Menge Arbeit. Zum Gegenwaertigen Zeitpunkt haben wir 11 Episoden gecaptured (Eine Folge zu caturen dauert etwa 5 Tage…), der Rohschnitt ist fuer 8 Folgen vollbracht und den Feinschnitt habe ich heute fuer Folge 3 beendet…
Alles in allem macht mir die Arbeit mit sich bewegenden Bildern sehr viel Spass. Ok, capturen ist nicht die aufregendste Beschaeftigung, aber ansonsten kann ich mich taeglich kreativ verwirklichen. Big G hat wunderbare Bilder aufgezeichnet, die Story ist spannend und witzig zugleich,… ich habe alle Freiheiten die man sich wuenschen kann um die einzelnen Charaktaere herrauszuarbeiten und der Geschichte von RBM meine persoenliche Note zu verpassen… auch die Audio- und Grafikbearbeitung macht Spass. Eigentlich habe ich im Moment ueberhaupt keinen Grund mehr um mich ueber meinen taeglichen Broterwerb zu beschweren.

The RedStone Team, eine Hand voll Freaks

Im gegenwaertigen Stadium der Postproduktion teile ich mein Leben mit 6 weiteren Personen.
Da ist zum einen Nametso Motsumi, welchen ich als so ziemlich guten Freund bezeichnen kann. Nametso, auch Namse genannt, ist ein ziemlich cooler Typ von 24 Jahren. Er ist einer der 3 (!) Soundguys in Botswana. (Richtig gelesen: in Botswana gibt es nur 3 Typen die in der Lage sind den Sound fuer Filme u.ae. aufzunehmen! Wer also einen Bekannten hat der professioneller Soundmensch ist und gerne in Afrika arbeiten moechte… er schicke ihn her!) Namse und ich sind ein ganz gutes Team. Wir teilen uns im Moment die Onlinebearbeitung.
Dann ist da natuerlich noch mein Boss, Big G. Big G ist mit gerade mal 32 Jahren der fuehrende kreative Kopf von Red Stone (Red Stone ist eigentlich so etwas wie eine GmbH. 6 Leute die an die Filmindustrie in Botswana glauben, davon 4 Deutsche, haben ihr Geld in unsere Ofice gesteckt und warten nun darauf, dass etwas dabei fuer sie herausspringt…). Big G ist zwar Botswanese, aufgewachsen, zur Schule gegangen und studiert hat er aber in der UK. Er ist hyperintelligent und man kann sagen: Filme machen ist sein Leben. Daneben gibt es fuer ihn nur noch seine Familie. Big G ist verheiratet mit einem Maedchen aus Norwegen, Aussa. Aussa, BigG und ihre beiden suessen Kinder, Liv and Dug (jeweils 4 Jahre alt), leben zusammen hier in Gabs. Nach meiner Ansicht eine echte Traumfamilie… Big G ist IMMER extrem hoeflich und nett. Er verliert nie die Fassung oder erhebt seine Stimme. Er lacht mindestens einmal in 30 Minuten und singt gerne vor sich hin. Er verbreitet grundsaetzlich gute Stimmung, Hoffnung und Motivation. Er ist niemand der viel redet, eher das Gegenteil. Er wirkt einfach durch seine Gegenwart. Und durch ganz wenige Worte kann er Menschen dazu bringen ueber sich hinaus zu wachsen. Wer ihn einmal am Set erlebt hat, wird ihn nicht wieder vergessen.
Zum RedStoneTeam gehoert weiterhin Peo. Peo ist colored, d.h. ihre Familie vaeterlicherseits stammt aus Kanada. Peo… was soll ich sagen…ist halt ein Maedchen. Sie kann sehr witzig sein, man kann Spass mit ihr haben, Partys feiern, einen Trinken gehen… Aber sie kann auch genauso launisch zur Arbeit erscheinen und einem schwere Tage bereiten… Peo arbeitet seit bereits einem Jahr an RBM. Sie hat die gesamte Preproduction begleitet, das Script mitgeschrieben usw. Und es ist nur zu verstaendlich das sie mittlerweile RBM-muede ist… Dennoch hoffe ich das sie die letzten Wochen noch durchhalten wird…
Etwa 3 mal die Woche taucht Herbert Knuetel in unserer Ofice auf. Herbert ist ein SEHR netter aelterer Mann von etwa 60 Jahren. Er stammt aus Deutschland und hat, obwohl er bereits seit ueber 30 Jahren in Afrika lebt, seine Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit noch nicht abgelegt. Dennoch weiss er mit dem „african way of life“ umzugehen… Er ist sowas wie der finazielle Kopf von RedStone, er kuemmert sich also um alle finanziel organisatorischen Dinge, als auch um meine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung und solche Sachen.
Desweiteren gibt es da noch Sitini. Sitini ist unsere Hausmade. Sie spricht nicht besonders gut und viel englisch, weshalb wir keine laengeren Konversationen fuehren… Sie haelt aber die Ofice sauber, waescht das Geschir und meine Klamoten, wofuer ich ihr sehr dankbar bin.
Und dann gibt es da noch Petra… Petra ist 24 Jahre alt, hat – was Editing angeht – echt was auf dem Kasten und ist eine Story fuer sich. Ich wusste von der ersten Minute an, dass ich mit der Frau Probleme kriegen werde. Was eigentlich auch einer der Hauptgruende fuer mich war, die ersten Wochen in White City zu leben… Nun gut, wie bereits geschildert, kam der Moment wo ich nach Phase 2 ziehen musste. Und die ersten Tage und Wochen lief es auch einigermassen gut zwischen uns. Ich meine sie ging mir furchtbar auf die Nerven, aber wir haben uns nicht bekriegt. Ganz im Gegenteil: alle 5 Minuten kam sie in mein Zimmer; alles wollte sie mit mir gemeinsam machen: fruehstuecken, einkaufen, Mittagessen kochen, abwaschen, ausgehen… . Ich meine, ich habe mit der Frau in einem Haus zu leben und zu arbeiten. Aber ich bin nicht mit ihr verheiratet und hatte auch nicht die Absicht mein Privatleben mit ihr zu teilen… Nunja, irgendwann bin ich allein ins Kino gegangen, zu einem Film, den sie auch unbedingt sehen wollte… Und da hat sie es irgendwie gepeilt. Und seit dem hat sie kein einziges Wort mehr mit mir gewechselt. Kein „Guten Morgen“ oder sonst irgendwas. Wenn sie mir was mitzuteilen hat, klebt sie mir kleine Zettel an meinen Computer. Ich habe mehrfach versucht mit ihr zu sprechen. Das letzte mal ist sie, als ich nur „Petra“ sagte, aufgesprungen und SCHREIEND weggerannt. Sie behandelt mich wie einen Vergewaltiger. Sie lauscht an ihrer Tuer und kommt nur aus ihrem Zimmer, wenn sie sich sicher ist, das ich IN meinem Zimmer bin. Sowie ich die Kueche betrete, verlaesst sie die Kueche und kommt erst zurueck, wenn ich weg bin… selbst wenn ihr Essen auf dem Herd anbrennt! Die ganze Geschichte hat mittlerweile enorme Ausmasse angenommen. Wir werden als „the crazy Germans“ bezeichnet! Und ich weiss nicht mal warum die Frau so austickt! Es ist einfach schrecklich. Auch fuer das Arbeitsklima. Jeder spuert die bad vibes zwischen uns. Mir geht die ganze Sache mittlerweile dermassen auf die Nerven. Ich bin mir sicher, sie hat eine riesen Macke. Zum einen kann ich sie ja verstehen: sie hat keinen Schulabschluss und haengt hier in Afrika fest, ihr Freund hat mit ihr Schluss gemacht, seit 6 Monaten ist sie Lactose-intollerant (d.h. sie kann keine konservierten Milchprodukte mehr essen wie zB. Pizza – weshalb sie mir untersagt hat Pizza zu essen! Das muss man sich mal ueberlegen!), und vieles andere mehr. Hinzu kommt, dass sie bereits seit einem Jahr in RedStone lebt und ich nun in ihren „Privatbereich“ eingedrungen bin… Aber das sie ihren gesamten Frust nun auf mich projeziert ist totaler Schwachsinn und nicht gerade fair…

Aber vielleicht hat der Spuck ja ein baldiges Ende. Wie ich gehoert habe, hat sie diese Woche eine neue Bleibe und einen neuen Job gefunden. Wenn alles gut geht, zieht sie ende des Monats aus. Es gibt im Moment fast nichts, auf das ich mich mehr freue! Ich sehe mich jetzt schon schreiend und jubelnd durchs Haus tanzen. Klingt vielleicht zynisch, aber ich habe die letzten 3 Monate – 24 Stunden am Tag – mit dieser Frau auf engstem Raum verbracht… ich kann mir momentan einfach nichts erloesenderes vorstellen, als ihren Auszug aus RedStone…

Ausgeglichenheit und andere Dinge die ich hier gefunden habe…

Bis auf den Umstand „Petra“ bereitet mir das Leben hier keine grossen Schwierigkeiten. Meine Arbeit bereitet mir viel Freude und erfuellt mich sehr. Big G vermittelt mir taeglich neue Weisheiten und ich schreite geistig forwaerts. Um den Haushalt brauche ich mich – dank Sitini – nicht kuemmern. Und es gibt auch keine Strom-, Wasser- oder Mietrechnungen um die ich mich sorgen muss. Ich fuehre hier also alles in allem ein recht unbeschwertes Leben.
Mein Tagesablauf hat eine gewisse Routine bekommen, was ich nach all dem Stress in Deutschland, den ersten Drehtagen hier in Gabs und meinen Abenteuern mit 007 auch gesucht und angestrebt habe. Mein Tagesablauf gestalltet sich von Montag bis Sonntag folgendermassen (wenn es jemanden nicht interessiert, so ueberspringe er doch einfach den naechsten Abschnitt…): Ich stehe morgendlich um 7:30 Uhr auf, werfe den Rechner an, Dusche und trinke eine grosse Tasse Kaffee auf der Veranda vor unserem Haus. Fuer etwa 15 Minuten geniesse ich den weiten blauen botswanesischen Himmel… dann begebe ich mich zur Onlinestation. Zwischen halb 9 und halb 10 trudeln gewoehnlich George, Peo und Nametso ein. Um eins organisieren wir uns Mittagessen. Mal gibt es KFC, Nandos oder Steers (aber den Fastfoodfrass hab ich schon so ziemlich satt) …traditionelle Kueche aus Malapo oder von der Central Station … oder ich koche selbst. Gegen 7 pm verabschieden sich meist Peo und George. Wenn Nametso erst am spaeten Nachmittaag erschienen ist, was auch sehr haeufig vorkommt, arbeiten wir zusammen noch bis in die Nacht… Da er ausserhalb – in Block 8 nahe dem Flughafen – wohnt, bringe ich ihn dann meist noch nach hause. Ausserdem treibe ich fast taeglich Sport. Entweder ich gehe von 4 bis 6 mit Sadia (Georges Schwester) Tennis spielen, oder von 7 bis 9 ins Fitnessstudio. In den letzten 2 Stunden eines jeden Tages schaue ich mir gewoehnlich einen guten Film an. Ich habe hier einen DVD-Laden ausfindig gemacht, indem so gut wie alles erhaeltlich ist… selbst Kinofilme, die in den naechsten Wochen erst anlaufen werden… alles natuerlich Importware aus China… Ausserdem versorgt mich George regelmaessig mit sehr guten Streifen.
Was ich hier trotz aller Ausgeglichenheit und Idylle vermisse, sind natuerlich meine Familie und meine Freunde. Auch wenn Nametso ein ganz guter Kumpel ist, so ist er doch auch kaum mehr als ein Kollege. Eine richtige Freundschaft muss sich entwickeln und das braucht Zeit. Jedenfalls kann man unsere Freundschaft nicht mit dem vergleichen, was ich zu hause zurueck gelassen habe. Auch wenn ich staendig sehr viele nette Menschen um mich habe, muss ich doch resuemierend bemerken, dass ich mich recht haeufig doch sehr alleine fuehle.

Die Zukunft, oder was sonst noch so alles passieren kann…

Ja, was wird nun aus mir? Eine schwere Frage. Vorerst habe ich alles erreicht, wonach ich solange gestrebt habe. Ich habe einen Job der mir Spass macht in einer Umgebung die mir gefaellt und die mir gut tut. Ich habe Zeit fuer mich selbst gefunden und fuehre ein gesundes Leben …fuer den Moment ist einfach alles in Ordnung. Doch was nun? Soll ich nach dem Projekt wieder nach Deutschland kommen und meine „Karriere“ beim MDR fortsetzten…? Oder in Afrika Filme machen und ein Leben in Einsamkeit verbringen? Ich weiss, ich ueberzeichne das Bild und vielleicht sollte ich meine momentane Situation einfach geniessen. Doch wer mich kennt, weiss, das ich immer einen Traum brauche, etwas auf das ich zusteuere, das ich anpeile und zu erreichen suche…etwas auf das ich mich freuen kann (abgesehen von dem Umstand, dass Petra bald ausziehen wird…).
Ob ein weiteres Projekt bei RedStone meine Jobchancen in Deutschland verbessert, kann ich schwer einschaetzen. Meine Entscheidung heimzukehren oder hier zu bleiben, kann und werde ich davon also nicht abhaengig machen. Wenn ich mein Herz befrage, sagt es mir eigentlich, das ich hier bleiben sollte. Irgenwie kann ich mir im Moment einfach nicht vorstellen, nach Deutschland zurueck zu kehren und Bewerbungen zu schreiben. Und RedStone hat scheinbar eine rosige Zukunft vor sich. BigG bzw. RedStone hat sich letztes Jahr um 4 Projekte bei BTV beworben. 2 Zuschlaege haben wir bekommen. Dieses Jahr haben wir uns um 6 Projekte beworben und BTV kennt und liebt uns nun… Wir werden also hoechstwahrscheinlich mindestens 3 Projekte bekommen. Es ist also eher eine Frage der Arbeitsverteilung und –bewaeltigung, als eine Frage nach Arbeit ueberhaupt… Und das naechste DokuDrama soll 26 Folgen haben und nicht nur 13… und solange ich hier so viel dazu lerne und mich so extrem einbringen kann…
Kurz um… ich werde wohl noch eine Weile hier bleiben…

Euer Dominik

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