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Puerto Varas – Berliner Pfannkuchen

Mein nächster Stopp auf dem Weg zur chilenischen Insel Chiloé hieß eigentlich Puerto Montt. Doch laut meinem Reiseführer genießt die Hafenstadt – dank ihrer Rolle als Lachs-Exporteur – den Ruf, einer der am schnellsten wachsenden Städte des Kontinents zu sein. Ich nahm die Warnung ernst, folgte einem anderen Hinweis und sprang 30 Minuten eher aus dem Bus. Dann musste ich mir erst einmal die Augen reiben. Eingezäunte Vorgärten, gestutzte Hecken, dahinter Schieferhäuser mit Giebeldächern, davor fein gesäuberte Bürgersteige und Vorfahrtschilder – wo man nur hinsah. Ein gleicher Anblick hätte mich auch in der sächsischen Lausitz oder im thüringischen Eichsfeld ereilen können. Kreuze an jeder Straßenecke hätten das Bild komplettiert. Aber nein! Einen gewaltigen Unterschied machte ich dann doch noch aus: den Horizont über der Stadt füllte ein mächtiger, schneebedeckter Vulkan aus. Das musste der Vulkan Osorno sein. Einen solchen gibt es bei uns natürlich nicht zu sehen.
Da ich die Farbe „Blau“ mag, kehrte ich im „
Casa Azul“ ein. Ein für die Gegend gewöhnlicher Name, doch es dauerte nicht lange und mir wurde bewusst, dass ich mich auch hier auf streng deutschem Terrain befand. Der Besitzer sprach Deutsch, ebenso wie die beiden sehr netten Aushilfen. Die „Bitte im Sitzen pinkeln“-Schilder waren gerahmt und verglast. Die Bonsai-Sammlung schien endlos. Jeder Winkel im Haus maß garantiert 90 Grad. Und beim Genuss meines Begrüßungsbiers im Vorgarten beobachtete mich eine Überwachungskamera. Den Hollunder, die Geranien und die Engelstrompeten beschützte ein eigener Zaun. Bei Augustin hatte es keine Zäune gegeben. Und vielleicht hat mir dort gerade diese Tatsache das Gefühl von Freiheit und Sicherheit vermittelt. Unwillkürlich fiel mir sein Spruch wieder ein, den er zu Neuankömmlingen zu sagen pflegte: „There are the toilets. But boys, if you need to pie, please pie on the plants. They like that!“.
Um mir ein Abendessen zu beschaffen, unternahm ich einen kurzen Ausflug zum Supermarkt. Hinter der Theke, in dem kleinen Tante-Emma-Laden, grinste mich eine schneeweiße Omi an. Auf der Theke lauerten ein paar Berliner Pfannkuchen. „Sprechen sie Deutsch?“, fragte ich höflich. „Ein bischchen!“, gab sie zwinkernd zurück. Ich entschied mich für die Pfandkuchen und sie verabschiedete sich mit einem „Auf Wiedersehen! Gute Nacht!“.

IMG_7809Puerto Varas liegt am Südufer des Llanquihue-Sees. Mit rund 860 Quadratkilometern ist er der zweitgrößte See Chiles.


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Quick-Stop im Lake-District

Mit 126.000 Einwohnern ist San Carlos de Bariloche die größte Stadt im argentinischen Seengebiet. Als Zentrum eines der größten Ski-Gebiete Südamerikas zieht sie jährlich Millionen Touristen an. Und so war, nach meinem Aufenthalt im naturbelassenen El Bolsón, mein Großstadtschock vorhersehbar. Zwar schmiegt sich das schnucklige Städtchen nach schweizer Bauweise malerisch schön an den Nahuel Huapi See. Doch die geschniegelte Atmosphäre und der Lärm des Straßenverkehrs standen in einem zu krassen Gegensatz zu dem Ort, in den ich mich soeben verliebt hatte. Auch mein Hostel war modisch schick ausgestattet und bot einen verzaubernden Blick auf das weite Blau des Sees und die schneebedeckten Berge am anderen Ufer. Doch so richtig warm wurde ich mit dem Ambiente nicht.
Besonders beliebt bei Touristen ist eine Tour um die sieben großen Seen der Umgebung. Meine organisierte Bustour in Puerto Madryn war mir aber noch zu lebendig in Erinnerung und so lieh ich mir ein Fahrrad aus, um die Gegend zu erkunden. Ich fuhr den populären Circuito Chico ab, einen kurvenreiche Rundkurs, welcher bis zur Spitze der Halbinsel Brazo de la Tristeza führt. Ansich war das eine gute Entscheidung. Der Trail bot einige schöne Aussichten auf den
Lago Nahuel Huapi als auch andere kleinere Seen der Umgebung. Doch die komplette Einzäunung und Aufteilung des Küstenstreifens in Enstancias, Hotels und Privatgrundstücke imponierte mir nicht sonderlich.
In Bariloche kann man außer Ski-fahren, Bus- und Radtouren sicherlich noch mehr anstellen. So ist eine Klettertour auf den
Monte Tronador (3491 m) bestimmt lohnenswert. Doch da ich mich nicht sonderlich wohl fühlte und mir auch so einige Backpacker in meinem Hostel auf die Nerven gingen (manche Menschen wissen Privatsphäre einfach nicht zu respektieren), reiste ich am nächsten Morgen wieder ab.

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IMG_7783Blick von der Halbinsel Brazo de la Tristeza auf den Lago Nahuel Huapi
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Schwerer Abschied von El Bolsón

Von El Bolsón abzureisen ist mir wirklich schwer gefallen. In 10 Tagen habe ich dort so viel erlebt, so viele nette und liebe Menschen kennen gelernt, wie noch kaum an einem anderen Ort zu vor. In der Casa del Viajero herrschte ein ungezwungener Gemeinschaftsgeist, der jeden Neuankömmling herzlich empfing. Und wer den weiten Weg hierher auf sich genommen hatte, der wollte sich auch fallen lassen und verweilen. Action-Sportarten wie Rafting oder Kiten standen zwar nicht zur Auswahl, doch dafür gab es täglich ein Natur-High-Light zu entdecken. So wanderten wir zum Cajón del Azul, kletterten auf den Cerro Piltriquitrón und fischten im kristallklaren Rio Negro. Wir badeten in Wasserfällen, tranken heimisches Bier mit den Gauchos und genossen drei Tage lang die spontanen Klänge auf einem Jazzfestivals. Wir frühstückten zusammen, wir kochten zusammen und wir aßen zusammen zu Abend. Es fühlte sich an, wie ein Leben in einer großen Patchwork-Familie mit absoluter Gleichberechtigung: Da war Hannah, ein zwanzigjähriges Hippie-Girl aus Seattle, das noch nicht so recht wusste, wohin mit ihrem Leben; Und Dawn, aus Maine/USA, Spross aus einer patriotischen Militärfamilie, die ihr familiäres Erbe nicht fortführen will und jetzt paradoxerweisse als Lehrerin für schwer erziehbare Kinder tätig ist. Erbschaftsprobleme ganz anderer Art hatte Gé, ein kleiner verschmitzter Brasilianer. Seinem Vater gehörte einst das zweitgrößte LKW-Anhänger-Werk Brasiliens. Doch im Zuge blutiger Monopolisierungsstrategien wurde seine gesamte Familie ermordet. Mit dem nachdenklichen Mathematiker Dan spielte ich täglich Schach. Ebenso mit dem trockenen Schweizer Patrick. Dieser hatte seinen Reisegefährten bei einem tragischen Lawinenunglück in Peru verloren und so eine läuternde Erfahrung der unangenehmen Art machen müssen. Isabell, eine blonde, junge Schönheit aus Holland hatte den ganzen Weg von Peru bis Argentinien mutig alleine bestritten, sich dann aber vor unserer Haustür von einem Hund beißen lassen. Über seine acht Dienstjahre beim israelischen Militär wollte Mayan nicht sprechen. Dennoch freut er sich schon jetzt auf seine Rückkehr ins gelobte Land, weil er dann kleine Leichtflugzeuge (Drohnen) bauen darf, um die Feinde Israel auszuspähen. Dann gab es da noch den holländischen Sportstudenten Peter – der immer einen lustigen Spruch auf den Lippen hatte. Regelmäßig kam uns Noémie besuchen, eine niedliche, freche Kanadierin, die nach Abschluss ihres Kunststudiums beschlossen hatte Bäuerin zu werden und jetzt auf einer patagonischen Farm dazu lernt… und nicht zu vergessen: Casimir (ihn hatte ich schon in Ushuai kennengelernt!), ein holländischer Künstler, der an amerikanischen Universitäten unterrichtet, sehr spirituell eingestellt ist, mich mehrfach hypnotisch dazu gebracht hat, meinen Standpunkt zu ändern… und mit aller Vorliebe den Mädchen nach dem Abendbrot den Rücken massiert – bis sie zu stöhnen beginnen.
Ohne die Liste beenden zu müssen erkennt man bereits: wir waren ein bunter Haufen und das einzige, was uns verband, war eine Vorliebe fürs Reisen und Südamerika. Auch wenn dies bereits zu genügen scheint, so hafteten Ausgeglichenheit, Harmonie und Glück, nicht nur an den Menschen, sondern auch an der Casa del Viajero“ oder gar der ganzen Stadt El Bolsón. Die Backpacker kamen, verweilten ein paar Tage und reisten wieder ab. Doch die Stimmung blieb! Wie von unsichtbarer Hand wurde sie von den Gehenden auf die Kommenden übertragen. Und ich bin mir sicher, dass auch heute Abend wieder eine handvoll Menschen aus den verschiedensten Ländern mit den unterschiedlichsten Anschauungen in Augustinos Küche sitzt, und nach einem leckeren gemeinsamen Abendmal, bei einer Flasche Rotwein und einem verrückten Kartenspiel über die Geschehnisse in der Welt, die Liebe oder das Leben philosophiert.
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(*) Dawn schwört auf ihr „Insiderwissen“ und glaubt daran, dass in den USA bald eine Revolution ausbrechen wird. 9/11 war ein Insider-Job. Das beweise schon das geschmolzene Metall – das hätten die Flugzeuge nie bewirken können. Die Militärs werden putschen und zu den Waffen greifen. Obama würde nicht dem Volk, sondern den gleichen Familien dienen, wie schon G. W. Bush vor ihm. Bei Demonstrationen würden mittlerweile Fahrzeuge eingesetzt, die hohe Töne ausstoßen und die Ohren zum Bluten bringen. Und wenn man sich derzeit in der Öffentlichkeit negativ über US-amerikanische Politik äußert, werde man angezeigt…

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Happy bei den Hippies in El Bolsón

Als ich aus dem Fenster blickte und die Sonne über den Anden aufgehen sah, wusste ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Nach nur zwei Tagen in der östlichen Steppe, hatte ich bereits begonnen das patagonischen Hochland zu vermissen. Nun schob sich mein Bus langsam die Serpentinen hinauf, die Straße säumte ein grüner Wald, durch das Tal schlängelte sich ein blaues Band. Ich genoss die Aussicht und freute mich auf ein paar ruhige Tage. Mein erwähltes Ziel, El Bolsón, bekannt als „Hippie-Paradies“, lag fernab der argentinischen Zivilisation.

Nach dem Ende der Militärdiktatur und dem „Guerra Sucia“ („Schmutziger Krieg“) vor knapp 30 Jahren suchten viele Argentinier einen Ort, wo sie ein selbst-bestimmtes Leben führen, einen alternativen „Way of Life“ gehen konnten. In El Bolsón wurden sie fündig. Als besonders geeignet erwies sich das Dorf vor allem auf Grund seines fruchtbaren Bodens und seines warmen Mikroklimas – optimale Bedingungen also für den Anbau von Beerenobst und Hopfen. (Das selbstgebraute Bier, so kann ich bestätigen, schmeckt einfach fabelhaft würzig!) Eine Öko-Stadtverwaltung koordiniert das Leben in der selbsternannten „nuklearfreien Zone“.  Und vier mal pro Woche feilschen die ansässige Hippies mit angereiste Backpacker auf dem „feria artesanal“, dem Handwerksmarkt, um Matte-Tassen, Wasserpfeifen, Schmuck und Ponchos.

Unterschlupf habe ich auf dem Anwesen des Künstlers Augustin Porro gefunden. Augustin ist ebenfalls ein waschechter Hippie – „Porro“ bedeutet so viel wie „Pot“. Alles auf der „La Casa del Viajero“ ist aus natürlichen Materialien geschnitzt, gehauen, gegossen oder gewebt. Durch den Garten streunen Hühner, Schafe und eine Katze, morgendlich kräht ein Hahn. Und just in diesem Moment ruhen Schäferhund Rocko und Labradordame Nina zu meinen Füßen. Für allzeitliche gute Unterhaltung sorgen etwa 15 Angereiste. Gestern, zum Beispiel, hat sich Isabelle von einem Hund beißen lassen und Hannah ist beim Besuch einer der heimischen Brauereien in Flammen aufgegangen…

Die meisten Backpacker, die hier Zwischenstranden, sind länger als ein halbes Jahr unterwegs. Sie nutzen dieses preiswerte Idyl, um ein wenig auszuspannen, zu wandern, zu lesen oder um Spanisch zu lernen. Viele Traveller kommen auch gezielt hierher, um auf einer der Farmen für Kost und Logis zu arbeiten – oder um eine Weile bei den Hippies zu leben. Veronica beispielsweise, plant sich einer Gruppe Maya-Hippies anzuschließen. Die Kommune vegetiert bereits seit 9 Jahren auf Art und Weise des präkolumbianischen Volkes. Die Mitglieder wohnen in Zelten, kommen ohne Strom aus, trinken Gletscherwasser und essen nur Früchte aus eigener Ernte. Von kriegerischen Aktionen habe ich allerdings noch nichts gehört.

Nun, davon mag man halten, was man möchte… zumindest muss man respektieren, dass El Bolsón jedem die Möglichkeit bietet, einen dem ihm gemäßen Lebenswandel zu führen – oder sich vielleicht auch nur auszuprobieren…
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