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Valparaíso – Chile goes Punk!

Um es vorweg zu nehmen: Ja, es ist schmutzig in Valparaíso. Und ja, viele Häuser sind heruntergekommen. In manchen Seitenstraßen riecht es nach Urin. Verworrene Stromkabel hängen in Strengen von den Masten herunter, so dass man aufpassen muss nicht hinein zu laufen. Es wimmelt nur so von Straßenkötern. Es gibt keinen Strand und auf der Hauptstraße drängeln sich Autos und Fußgänger um die Wette. Und dennoch: Valparaíso ist liebenswert, es lebt! Die vielen farbenfrohen, unikaten Häuser versprühen einen ganz eigenen, einen ganz besonderen Charme. Viele Gemäuer sind zusätzlich durch bunte Graffiti angehübscht. Durch die Gassen schallt fröhliche Punk-Musik. Und: „Valpos“ Einwohner sind äußerst freundlich: Wenn auch immer ich dabei war ein Foto zu schießen, bemerkten sie dies, blieben geduldig stehen und liefen mir nicht ins Bild. Wo hat man so etwas schon erlebt?
Auf seine sieben Sachen sollte man in Valparaíso allerdings acht geben. Gelegenheitsdiebstähle stehen angeblich auf der Tagesordnung. Direkt neben mir hat gestern ein Dieb versucht, einem Mann das Portemonnaie aus der Hand zu reißen. Der Mann hielt es aber fest und Geldscheine und Münzen wirbelten durch die Luft. (*)

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Zu den Wohngebieten auf den Hügeln der Stadt führen ascensores, so genannte Gondelaufzüge . Sie wurden zwischen 1883 und 1916 gebaut. Zu dieser Zeit erlebte das Örtchen seine Blütezeit. Auf dem Weg ums Kap Hoorn oder über den Pazifik war die Hafenstadt eine wichtige Station für ausländische Schiffe, einschließlich für Walfänger. Während des Goldrauschs in Kalifornien diente sie Chile als Exporthafen für den dort benötigten Weizen. Mit einem katastrophalen Erdbeben (1906) und der Eröffnung des Panamakanals (1914) waren die Goldenen Jahre jedoch gezählt. Heute gilt Valparaíso als die kulturelle Hauptstadt Chiles.
Während meines Aufenthaltes in „Valpo“ bin ich in der „Residencia en el Cerro“ untergekommen. Wie in der ganzen Stadt, ist auch hier der Glamour der Jahrhundertwende noch zu spüren. Das Haus hat extrem hohe Decken und von meinem Bett aus genieße ich die Aussicht auf die Bucht. Das nenne ich Urlaub!

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Oda a Valparaíso
Pablo Neruda (*)

VALPARAÍSO,
qué disparate
eres,
qué loco,
puerto loco,
qué cabeza
con cerros,
desgreñada,
no acabas
de peinarte,
nunca
tuviste
tiempo de vestirte,
siempre
te sorprendió
la vida

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(*) Während der Verfolgung chilenischer Kommunisten in den 50er Jahren versteckte sich Pablo Neruda mehrere Monate in Valparaíso. 1971 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
(**) Nach Berichten anderer Reisender, scheint der Schulterklopf-Trick gerade sehr beliebt zu sein. Man wir praktisch von hinten links auf die Schulter geklopft, dreht sich deshalb automatisch nach links hinten um – und der Dieb greift sich den Rucksack, oder was auch immer zwischen den Beinen geklemmt steht – weil man gerade ein Foto schießt oder gerade etwas im Reiseführer nachschlägt – und rennt nach hinten rechts weg…

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Climbing up the volcano Villarrica

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Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich auf dem Kraterrand eines noch aktiven Vukans (*) gestanden habe – ein merkwürdiges Gefühl. Es kribbelte im Bauch, als würde jeden Moment etwas passieren. Aus dem Schlund des schneebedeckten Villarrica (2840 m) stiegen emsig dunkelblaue Rauchschwaden hervor – sie gaben dem Kribbeln recht. Der Schlot hatte eine gelbgrüne Färbung, doch nach Schwefel roch es nicht.
Die Ausrüstung lässt es vielleicht vermuten, aber der Aufstieg war gar nicht so schwer. Es dauerte nur knapp fünf Stunden, bis wir die Spitze erreichten und es nahm sich an, wie ein Spaziergang. Das Equipment fand seinen Nutzen eher beim Abstieg. Ähnlich wie auf dem Piltriquitrón, setzten wir uns einfach auf den gefrorenen Schnee und schlitterten auf dem Hosenboden die steilen Hänge hinab. Ein Mordsspaß, der leider nur eine Stunde dauerte, dann hatten wird das Tal bereits wieder erreicht.
Da der Villarrica, gelegen im wunderschönen Nationalpark Villarrica, zu den bekanntesten Touristenzielen Chiles gehört, ist der Ort Pucón, zu seinem Fuße, entsprechend geprägt. Booking-Agenturen, Outdoor-Läden und Restaurants füllten mal wieder weite Teile der Innenstadt aus. Dennoch idyllisch anmutend und verkehrsberuhigt, kann ich gut nachvollziehen, warum sich einige Touristen hier länger niederlassen und diese paradiesisch schöne Gegend mit einem Fahrrad, Kanu oder einfach zu Fuß erkunden.
Pucón, und man kann sogar sagen ganz Chile, ist ein recht teures Pflaster. Pro Tag gebe ich mindestens 40 % mehr aus, als in Argentinien. Deshalb reise ich in diesen Tagen recht zügig voran. Und ehrlich gesagt, kann ich Bolivien auch kaum erwarten…
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(*) In den letzten 500 Jahren wurden über 50 Ausbrüche registriert. Der letzte war 1971. Die ausgelöste Schlammlawine zerstörte eine Reihe Häuser, Felder und Brücken.

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Valdivia – Die Hoffnung stirbt zuletzt

Während andere verträumte Städtchen durch das Krähen eines Gockels oder das Läuten der Kirchenglocken erwachen, beginnt der Morgen in Valdivia mit einem tiefen, mehrstimmigen Gerülpse. Immerhin wird es nicht durch die Einwohner des sonst schicklichen Städtchens entfacht, sondern durch eine Herde Seelöwen, welche es sich mit Beginn des Fischmarktes auf der Hafenanlage gemütlich machen. Schon dieses morgendliche Schauspiel macht Valdivia zu etwas Besonderem.
Aber auch seine Stadtgeschichte liest sich wie ein indisches Märchen. Mitte des 16. Jahrhunderts gründeten die Spanier die Stadt als Festung im Kampf gegen die Mapuche. 12 Burganlagen sollten die Einwohner vor diesem widerspenstigen Volk schützen. Doch nicht die Mapuche brachten die junge Stadt ins Wanken, sondern ein schweres Erdbeben legte sie in Schutt und Asche. Fleißig begann man mit dem Wiederaufbau. Doch starke Erdrutsche hatten den Abfluss des Riñihue-Sees verschüttet. Der staute sich auf und bildete einen Damm – welcher 4 Monate später brach und die Stadt überflutete. Als man die Stadt wieder errichtet hatte, fiel sie 1599 dann doch in die Hände der Mapuche, welche sich dort für die nächsten 50 Jahre auch behaupten konnten. Als die Spanier zurückkehrten, errichteten sie weitere Festungsanlagen, die dann zumindest die chilenische Flotte bis 1820 fern hielten.
Ab 1846 siedelten sich deutsche Auswanderer an. Sie bauten die erste Brauerei Chiles und verhalfen der Stadt so zu einem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum. 1909 wurde Valdivia wieder stark zerstört, diesmal durch einen Großbrand. Erneut baute man alles wieder auf, um im Mai 1960 vom bisher stärksten gemessenen Erdbeben der Welt mit Tsunami (Großes Chile-Erdbeben) getroffen zu werden. Das Beben hatte eine Stärke von 9,5 auf der Richterskala. Etwa 40% der Gebäude der Stadt wurden zerstört.

Trotz der vielen Katastrophen erinnern heute noch einige Gebäude an die Vergangenheit. Valdivia ist jetzt eine Studentenstadt. Für Touristen macht sich dies vor allem durch die vielen gemütlichen Bars und Kneipen bemerkbar, in denen man gutes, deutsches Bier serviert bekommt.
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(*) Die Mapuche gehören noch immer zur ärmsten Bevölkerungsschicht Chiles. Über 70 % von ihnen leben auf dem Land. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Farmer auf sie schießen, wie auf Freiwild. Kürzlich hat die Regierung ein Gesetz erlassen, dass es der Polizei ermöglicht demonstrierende Mapuche zu behandeln wie Terroristen. In der chilenischen Verfassung genießen sie keinen ethnisch-kulturellen Sonderstatus. In nationalistischen Kreisen Chiles wird die Existenz des Mapuche-Volkes sogar regelmäßig geleugnet. Gegenwärtig kämpfen die Mapuche für eine Landreform, die ihnen bereits in den 70er Jahren zugesagt wurde.
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Chilenische Gastfreundschaft – Eine Kostprobe

Die Iglesia San Francisco de Castro (*) war geschlossen. Und das Regionalmuseum auch. Ich stromerte ziellos durch die Stadt, dann am Hafen entlang und knipste ein paar Bilder. Plötzlich hörte ich eine Stimme und drehte mich um. „Coffee? Tee?“ fragte der Mann freundlich. Weit und breit war sonst niemand zu sehen, er musste also mich meinen. „Claro!“, antworte ich höflich. Eine solche Einladung schlägt man schließlich nicht aus. Er winkte mich in sein Haus und wir stellten uns vor. Er heiße Aron, gab er bekannt und er sei 37. Dann setzte er Wasser auf. Ohne weiter zu fragen, hatte er entschieden, dass ich Kaffee mag. Dann bot er mir Hühnchen an. „Claro!“, gab ich zurück und er freute sich. Während er die Keule von einer Plastiktüte befreite und sie in einer Pfanne begann aufzuwärmen, sah ich mich in seinem Wohnzimmer um. Viel gab es nicht zu sehen. Eine Stereoanlage, ein Tisch, zwei Stühle, Staub und schmutzige Teller. Über dem Sofa hing eine Urkunde, die seinem Vater ein Diplom in Literatur bescheinigte, im Flur hing ein lebensgroßes Poster von Papst Johannes Paul II.. Er erhaschte meinen Blick und fasste sich ans Herz: „ Me gusta mucho…!“. Ich verstand. Dann bot er mir, zusätzlich zum Kaffee, Wein an. Ich ahnte, dass ihn eine Ablehnung verdrießen würde, nahm an und führte unser Gespräch fort. Ob er denn eine Frau habe und Kinder, wollte ich wissen. „Nada.“, sagte er, „Er sei allein.“. Ich stocherte in dem rosa Hühnchen herum. Nun interessierte er sich für meine Arbeit. „Yo soy periodista!“, antworte ich stolz, stolz vor allem weil ich mit meinem armen Spanisch schon so weit gekommen war. Da erhellte sich sein Blick und er zog ein großes Poster unter dem Sofa hervor: „Morgen ist Wahl!“, verkündete er strahlend. Auf dem Poster war der konservative Kandidat Sebastián Piñera zu sehen. Er trug ein weißes Hemd und streckte sich in Siegerpose (**). „Wie schön!“, sagte ich und hakte nach: „Und Frau Bachelet mögen Sie nicht?“. „No!“, antwortete er entschlossen und hob drohend den Zeigefinger. Dann gestand er mir, dass er auch Augusto Pinochet möge.
Mittlerweile war ich mit meinem Hühnchen am Ende und Aron bemerkte dies umgehend. Suchend blickte er sich um und erspähte eine Tomate. Ich nahm an und wir wechselten das Thema. Fußball interessierte ihn. „Me gusto Bayer-Leverkusen!“ verkündete er fröhlich. „Ah!“, stieß ich vielsagend hervor – ohne zu wissen wer überhaupt in dieser Mannschaft spielt. Er half mir weiter: „Michal Kadlec. Burak Kaplan. Toni Kroos.“. „Aja.“, gab ich ihm wieder recht und bemerkte zum ersten mal, wozu dieser Sport eigentlich gut ist. Dann wollte er über Tennis sprechen. Von Tennis hatte ich nun gar keine Ahnung, aber halb so schlimm: Aron nahm Rücksicht und begann wieder von Fußball zu reden. Er begann alle deutschen Fußballspieler aufzuzählen die er kannte. Als er fertig war begann er von vorn. Langsam wuchs in mir die Vermutung, dass Aron betrunken war. Schon während meines kurzweiligen Stadtbummels hatte ich ein halbes Dutzend Alkoholiker auf den Bürgersteigen liegen sehen. Ich entschuldigte mich und ging austreten. Als ich zurück kam war Aron eingeschlafen. Seit ich das spärlich eingerichtete Zimmer betreten hatte, dudelte aus dem Radio ein einziger chilenischer Song in Schleife. Ich ließ ihn dudeln und verließ das Haus.

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(*) Im Jahr 2000 wurden einige der typischen Holzkirchen der Insel in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen. / 2007 hat das amerikanische Magazin „National Geographic Traveller“ ein Ranking von 111 Inselparadiesen gemacht. Chiloé erreichte dabei den dritten Platz.
(**) Pinera gilt bei den Präsidenschaftswahlen als Favorit. Er könnte die seit zwanzig Jahren herrschende Mitte-Links-Regierung, seit 2006 unter Präsidentin Michelle Bachelet, ablösen.

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