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Ciudad Perdida – 6 Tage im kolumbianischen Dschungel

Die „Verlorene Stadt“ (1) der Tairona-Indianer im kolumbianischen Dschungel aufzuspüren, versprach ein Abenteuer der Extraklasse zu werden. Die präkolumbische Siedlung gilt nach dem Machu Picchu als die größte auf dem amerikanischen Kontinent. Durch die Spanier zerstört, stießen erst 1975 wieder Grabräuber auf die historischen Bauten (2).
Um ins Zentrum der urbanen Kultur zu gelangen, war ein 3-Tagesmarsch zu bewältigen. Kein Problem, dachte ich mir… doch obwohl ich nach 5 Tagen Hängematten fit und ausgeruht war, überdauerte meine getankte Energie nicht mal die erste halbe Stunde der Exkursion. Völlig erschöpft und bereits von der Hitze erschlagen, lag ich rückwärts auf dem Boden – und wollte kapitulieren. 6 Tage bergauf und bergab bei mindestens 35 Grad im Schatten… warum tat ich mir so etwas an? Ich wußte es nicht mehr und leider war es für solche rhetorischen Floskeln auch zu spät. Meinen Mitstreitern erging es ähnlich. Und so galt es für uns alle die Zähne zusammen zu beißen. Merkwürdiger Weise wurde es mit jedem Meter den wir weiter in den Dschungel vordrangen kühler. Zudem entlohnten uns fantastische Ausblicke auf eine gigantische Berglandschaft. Immer wieder durchwateten wir Flüsse. Oft nahmen wir in den
kristallklaren Gewässern auch ein erfrischendes Bad. Wie gewöhnlich auf solchen Touren, schweißte das gemeinsame Abenteuer die Gruppe zusammen. Mit Lian und Peggy aus England, Daniel und Linda aus Norwegen sowie Erin aus Kanada umgab mich ein lustiges und gesprächiges Expeditionsteam. Besonders Erin hatte mir viel zu erzählen. Das smarte Girl hatte sich mutig und ehrgeizig kosmopolitische Freiheiten erkämpft. Seit 4 Jahren unterrichtet sie in Südkorea englisch – dazwischen tingelt sie von ihrem gesunden Einkommen um die Welt. Nach zwei Tagen des Wanderns, vorbei an versteckten Marihuana- und Kokafeldern, hatte uns der Regenwald so ziemlich verschluckt. Dennoch kamen wir ab und zu an kleinen Kogi-Siedlungen vorbei. Die Kogi tragen einen meist weißen (wenn schmutzig dann grauen) Umhang. Ihre langen, schwarzen Haare haben sie zu einem Zopf gebunden. Mädchen und Frauen ziert ein bunter Halsschmuck. Kurios wirken vor allem die oft zu großen Gummistiefel. Die Kogi gelten als direkte Nachfahren der Tairona. Und Touristen mögen sie ganz offensichtlich gar nicht. Im Vorbeigehen waren wir keines Blickes oder Grußes würdig (3). Für die Einheimischen stehen wir wohl in enger Verbindung zur Regierung. Und die untersagt den gewinnbringenden Anbau von Kokapflanzen. Unter der FARC sah das vor ein paar Jahren wohl noch ganz anders aus. Bis 2003 hatte diese das Gebiet noch unter Kontrolle. Touristenbesuche mussten damals noch angekündigt werden – und auch ein Großteil der Ticketerlöse floss noch in ihre Hände. Die Vormacht der FARC ist wohl gebannt, doch für die Kogi ist das Leben härter geworden. So einfach wie ihre mit Palmenblättern bedeckten Behausungen waren auch unsere Unterkünfte. Absurderweise ist für uns Touristen gerade der totale Entzug jeglicher zivilisatorischer Annehmlichkeiten das Schöne an einem solchen Ausflug. Die Nächte waren wieder einmal sehr geräuschvoll und auf ihre Weise für mich spektakulär. Vorbei an meterlangen roten Schlangen, bunten Riesenkäfern, ellenlangen Tausendfüßlern, Monsterspinnen, Monsterkröten, blauköpfigen Krabben und zahllosen bunten Geckos und Schmetterlingen erreichten wir am vierten Tag die Ciudad Perida. Auf schmalen, von Lianen überhangenen Treppen erklommen wir Terrasse für Terrasse die plattformartige Anlage. Im Gegensatz zum bevölkerten Machu Picchu waren wir hier nur eine einzige Reisegruppe. Vollkommene Wildnis schloss uns ein. Und in einem Land wie Kolumbien, in dem man die Städte besser nicht verlässt, war dies ein atemberaubendes Erlebnis.

CiudadPerdida

Trotz aller Entbehrungen und Anstrengungen, oder auch gerade wegen dieser, hatte sich der Ausflug mehr als gelohnt. Der 2-tägige Rückmarsch verging dann leider wie im Flug. Gut geschafft erreichten wir wieder Taganga. Und unverzüglich packte mich der Wunsch: Ein Hängematteleben sollte nie zu Ende gehen!

(1) „Ciudad Perdida“, wörtlich „Die verlorene Stadt“
(2) …was diese damals wohl sehr erfreut haben muss, denn die Tairona sind berühmt für ihre besonders ästhetischen Goldarbeiten. Gold galt bei ihnen als Fruchtbarkeitssymbol. Auf dessen Träger, so der Glaube, geht die Kraft der Sonne über.
(3) Spanisch sprechen die Kogi nicht.

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Posted in Kolumbien.

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One Response

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  1. David says

    hi dominik, da werden erinnerungen wach!!! schön geschrieben!! viele grüsse aus siem reap