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Barranquilla – Karneval auf Kolumbianisch

Anstatt Schlager spielt man Vallenato und Cumbia-Rythmen, statt Konfetti und Papierschlangen in die Luft zu blasen, beschmiert man sich mit Mehl und Rasierschaum. Wenn auch auf ganz eigene Art, feiert man Karneval eben auch in Kolumbien. Als Hochburg der Narren ist die Küstenstadt Barranquilla berüchtigt. Klar, dass ich mir die karibische Fiesta nicht entgehen lassen durfte. Auch klar, das ein solches heimisches Gelage Gaunervolk anzieht. Doch wie schon so oft auf meiner Reise, war ein Schutzengel zur Stelle. In Barranquilla nannte er sich Andrés. Und nett wie er war, gesellte er sich bereits in Medellin zu mir. Kaum hatte ich in meinem Anschlussbus Platz genommen, grüßte es auch schon von rechts neben mir: „¡Hola!! Wer bist Du denn? Aha! Du fährst wohl auch zum Karneval?! Auch alleine?! So so! Das ist ja prima! ¡Me también!“. Nun, gegen kolumbianische Gesellschaft habe ich nie etwas einzuwenden und Andrés war mir vom ersten Moment an sympathisch. Nachdem die ersten grundlegenden Fragen geklärt waren, begann er sich auch schon für deutsche Musik zu begeistern. Über sein Interesse erfreut überließ ich ihm für die Nacht meinen Ipod. Dafür bedankte er sich gleich vier Mal , in dem er mich weckte, um mir immer wieder zu erklären, wie grandios auch er mein Lieblingsset von Paul Kalkbrenner fände… Nun, spätestens beim vierten Mal stand fest, dass wir die kommenden Tage zusammen verbringen würden. Meine nächtliche Geduld zahlte sich auch schon am Morgen aus. Wie erwartet, war es in Barranquilla zur Karnevalszeit schwer, ein günstiges Zimmer zu bekommen… außer man besaß den Charme und die Hartnäckigkeit André’s. In Windeseile hatte er die gesamte Taxiflotte vor dem Busterminal abgegrast… Nicht das es ihm dabei primär um eine schnelle, frische Dusche gegangen wäre – oh nein! Andrès hatte es nur eilig zur ersten Parade des Karnevals zu gelangen! Auf keinen Fall wollte er auch nur eine Sekunde verpassen. Bereits im Bus war mir aufgefallen, wie seine Augen beim Wort „Karneval“ geleuchtet hatten. Jetzt waren wir endlich vor Ort. Knappe zwei Minuten brauchte er zum Duschen und Sachen wechseln und schon stand er in der Tür: „¿Vamos?“. „¡Vamos!“, gab ich zurück und los ging es.

Für den ersten Tag stand die „Batalla de Flores“, die „Schlacht der Blumen“ auf dem Programm. Festwagen und ein Heer an Tänzern, verkleidet und geschmückt mit den Trieben eines königlichen Gartens rollten bzw. marschierten die Feststraße entlang. Am zweiten Tag erwartete uns die „Gran Parada de Tradiciòn“ und am Dritten die „Gran Parada de Fantasià“ – ein Farbenmeer aus Stoffen und Make-Up, phantasievolle Kreaturen, wie ich sie in solcher Fülle zuvor noch nie zu Gesicht bekommen habe. Dazwischen triumphierten rüsselhafte Figuren, welche man liebevoll Marimonda rief. Auch waren 3 Michael Jackson, 2 Hugo Chávez, 2 Fidel Castro, die FARC und das A-Team anwesend… J Jedoch unter allen Wesen das Schönste war die „Reina de Reinas“, die Königin der Königinnen; ihren Mann, Rey Momo, bekam ich leider nicht zu sehen.

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Die Menge jubelte, tanzte und sang auf den Tribünen. Alle paar Momente besprühte man sich mit Rasierschaum oder bestäubte sich mit Mehl. Die Kolumbianer lieben ihren Karneval. Dabei ist es hier so heiß, dass einem das Bier im Nu in den Kopf steigt, um augenblicklich wieder als Schweiß von der Stirn zu tropfen. Zumindest am Tag. In der Nacht trinkt und tanzt es sich wesentlich angenehmer. Und gerade zum Karneval kostet man das hier aus. Nach Einbruch der Dunkelheit wurden die Straßenkreuzungen von dreiköpfigen Ensembles (ausgerüstet mit Akkordeon oder Flöte, Trommel und Güira) beschallt. Bis zum Morgengrauen tanzten die Menschen, sangen und lachten, als ginge die Welt in wenigen Stunden unter. Und für mich wäre sie das auch fast. Nach drei Tagen war ich so geschafft, dass ich nicht mal den kleinen Finger hätte mehr heben können. Selbst das Schlucken von Wasser fiel mir schwer. Andrés ging es ähnlich. Uns war, als hätten wir mit jedem Mädchen der Stadt zumindest einmal das Tanzbein geschwungen – zumindest jeder mit jedem zweiten Mädchen einmal. Pausenlos wurden wir zum Tanz aufgefordert. Waren wir den Armen – in SA tanzt man eng umschlungen, Hüfte an Hüfte, Schenkel an Schenkel – der einen entkommen, stand auch schon die nächste Dame fordernd vor uns. Und als wir auch noch beide einen Tanz mit der Travestie-Königin des Karnevals königlich gemeistert hatten, wussten wir, die Zeit zu Verschwinden war gekommen… dieser Höhepunkt lies sich nicht mehr toppen – und unsere Batterien sich nicht in wenigen Stunden wieder laden. Wenn auch völlig kaputt, checkten wir mit lachenden Herzen und strahlenden Gesichtern aus und verließen die Stadt. Vergangen waren drei Tage, die wir wohl beide nie vergessen werden.

PS: Von der Aftershow gibt’s leider keine Fotos. Bei solchen Gelagen lasse ich meine Kamera grundsätzlich im Hotel… Im Allgemeinen beschert mir meine Kamera oft graue Haare. Für Aufnahmen wie diesmal, beim Fasching, ist sie einfach nicht schnell genug. Die meisten meiner Aufnahmen sind leider verwackelt…

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