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Chilenische Gastfreundschaft – Eine Kostprobe

Die Iglesia San Francisco de Castro (*) war geschlossen. Und das Regionalmuseum auch. Ich stromerte ziellos durch die Stadt, dann am Hafen entlang und knipste ein paar Bilder. Plötzlich hörte ich eine Stimme und drehte mich um. „Coffee? Tee?“ fragte der Mann freundlich. Weit und breit war sonst niemand zu sehen, er musste also mich meinen. „Claro!“, antworte ich höflich. Eine solche Einladung schlägt man schließlich nicht aus. Er winkte mich in sein Haus und wir stellten uns vor. Er heiße Aron, gab er bekannt und er sei 37. Dann setzte er Wasser auf. Ohne weiter zu fragen, hatte er entschieden, dass ich Kaffee mag. Dann bot er mir Hühnchen an. „Claro!“, gab ich zurück und er freute sich. Während er die Keule von einer Plastiktüte befreite und sie in einer Pfanne begann aufzuwärmen, sah ich mich in seinem Wohnzimmer um. Viel gab es nicht zu sehen. Eine Stereoanlage, ein Tisch, zwei Stühle, Staub und schmutzige Teller. Über dem Sofa hing eine Urkunde, die seinem Vater ein Diplom in Literatur bescheinigte, im Flur hing ein lebensgroßes Poster von Papst Johannes Paul II.. Er erhaschte meinen Blick und fasste sich ans Herz: „ Me gusta mucho…!“. Ich verstand. Dann bot er mir, zusätzlich zum Kaffee, Wein an. Ich ahnte, dass ihn eine Ablehnung verdrießen würde, nahm an und führte unser Gespräch fort. Ob er denn eine Frau habe und Kinder, wollte ich wissen. „Nada.“, sagte er, „Er sei allein.“. Ich stocherte in dem rosa Hühnchen herum. Nun interessierte er sich für meine Arbeit. „Yo soy periodista!“, antworte ich stolz, stolz vor allem weil ich mit meinem armen Spanisch schon so weit gekommen war. Da erhellte sich sein Blick und er zog ein großes Poster unter dem Sofa hervor: „Morgen ist Wahl!“, verkündete er strahlend. Auf dem Poster war der konservative Kandidat Sebastián Piñera zu sehen. Er trug ein weißes Hemd und streckte sich in Siegerpose (**). „Wie schön!“, sagte ich und hakte nach: „Und Frau Bachelet mögen Sie nicht?“. „No!“, antwortete er entschlossen und hob drohend den Zeigefinger. Dann gestand er mir, dass er auch Augusto Pinochet möge.
Mittlerweile war ich mit meinem Hühnchen am Ende und Aron bemerkte dies umgehend. Suchend blickte er sich um und erspähte eine Tomate. Ich nahm an und wir wechselten das Thema. Fußball interessierte ihn. „Me gusto Bayer-Leverkusen!“ verkündete er fröhlich. „Ah!“, stieß ich vielsagend hervor – ohne zu wissen wer überhaupt in dieser Mannschaft spielt. Er half mir weiter: „Michal Kadlec. Burak Kaplan. Toni Kroos.“. „Aja.“, gab ich ihm wieder recht und bemerkte zum ersten mal, wozu dieser Sport eigentlich gut ist. Dann wollte er über Tennis sprechen. Von Tennis hatte ich nun gar keine Ahnung, aber halb so schlimm: Aron nahm Rücksicht und begann wieder von Fußball zu reden. Er begann alle deutschen Fußballspieler aufzuzählen die er kannte. Als er fertig war begann er von vorn. Langsam wuchs in mir die Vermutung, dass Aron betrunken war. Schon während meines kurzweiligen Stadtbummels hatte ich ein halbes Dutzend Alkoholiker auf den Bürgersteigen liegen sehen. Ich entschuldigte mich und ging austreten. Als ich zurück kam war Aron eingeschlafen. Seit ich das spärlich eingerichtete Zimmer betreten hatte, dudelte aus dem Radio ein einziger chilenischer Song in Schleife. Ich ließ ihn dudeln und verließ das Haus.

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(*) Im Jahr 2000 wurden einige der typischen Holzkirchen der Insel in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen. / 2007 hat das amerikanische Magazin „National Geographic Traveller“ ein Ranking von 111 Inselparadiesen gemacht. Chiloé erreichte dabei den dritten Platz.
(**) Pinera gilt bei den Präsidenschaftswahlen als Favorit. Er könnte die seit zwanzig Jahren herrschende Mitte-Links-Regierung, seit 2006 unter Präsidentin Michelle Bachelet, ablösen.

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