Ein Kondor kreiste am stahlblauen Himmel und neugierig beäugte mich eine Herde Guanacos. Ihr flaumiges, hellbraunes Fell wog sich im Wind. Das Tal füllte eine türkisblaue Lagune und die vorbeiziehenden Federwolken vollführten ein imposantes Schattenspiel auf ihr. Nach nur 3 Stunden Busfahrt hatte ich den Nationalpark „Torres del Paine“ von Puerto Natales aus erreicht. Eigentlich überstieg dieser Ausflug bei weitem meine Reisekasse. Für eine Übernachtung in einem Schlafsaal verlangte man hier ganze 40 Euro. Und ein chilenisches Frühstück, welches in der Regel aus nicht mehr, als einem trockenen Brötchen, etwas Calafate-Marmelade und einer Tasse Kaffee besteht, sollte 20 Euro kosten. Doch der Gedanke, mich mehrere Tage durch Chiles schönsten Nationalpark und die wohl entlegenste Wildnis Patagoniens zu schlagen, reizte mich sehr. Marisa, die flotte Besitzerin des Hostels „Patagonia Adventure“, hatte mich bereits in Puerto Natales vor dem hohen Preisniveau im Park gewarnt und so war ich auf Selbstversorgung eingestellt und mein Rucksack mit Brötchen, Wurst und Käse prall gefüllt. Außerdem hatte ich einen Schlafsack, Kaffee und eine Thermoskanne dabei. Mehr benötigte ich nicht. Andere Backpacker schon. Vor mir stieg ein Deutscher aus dem Bus, dessen Rucksack ihm vom Boden bis zu den Schultern reichte. Ein breites Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Was er denn da alles drin hätte, wollte ich von ihm Wissen. „Trommeln.“, antwortete er knapp. Mit einem steilen Aufstieg begann so dann auch die erste Tagesetappe und mein Landsmann war als bald nicht mehr zu sehen.
Statt dessen gesellte sich eine mutige, blonde amerikanische Lady zu mir. „Are you dutch?“, wollte sie wissen. Wenn man meine Nationalität nicht an meinem Akzent erkennt, macht mich das immer ein wenig stolz. Jennifer Denley hatte ihr kalifornisches Strandhaus untervermietet und befand sich seit 8 Monaten auf kulinarischer Weltreise. Als Virtuosin in indischer, türkischer, italienischer und marokkanischer Küche hatte sie mir viel zu Erzählen und ich zu Fragen. Und schon bald wurde es noch unterhaltsamer. Die gleiche Route vor Augen und mal mehr, mal weniger das gleiche Tempo an den Tag legend, schlossen sich uns Ben Boyle und seine Freundin Emma Hicks aus Australien an. Beide hatten ihre Reise in Ecuador begonnen und waren schon ein gutes Jahr unterwegs. Gesprächsstoff gab es also reichlich. Bis zum Abend ergänzte sich unser Trupp noch um die polnischen Architekten Roman Halat und seine Freundin Ilona sowie Christi Houwers aus Holland. Unabhängig voneinander hatten wir uns die 4-Tagestour „Das große W“ zum Ziel gesetzt, gemeinsam gingen wir es nun an.
Das Wetter in Patagonien ist so unentschlossen wie ein Schürzenjäger vor seiner Hochzeit. Auch wenn am Himmel keine Wolke zu sehen ist, kann es eine viertel Stunde später schon schneien. Und manchmal bleibt es dann auch für 2 Wochen dabei. Doch uns wahren die chilenischen Wettergeister wohl gesonnen und so erreichten wir „Torres del Paine“ (***) am ersten Abend. Ihre bis zu 2850 m hohen nadelartigen Granitspitzen glänzten am Himmel. Zu ihrem Fuße, wo man auf Grund des oft starken Windes gewöhnlich keine 10 Minuten stehen kann, wärmten wir uns und tranken Wodka.
Auch am nächsten Tag hielt sich das Wetter. Nur die Wanderkarten des Parks waren ungenau, so dass wir mehrere Flüsse durchwateten und unsere abendliche Holzhütte mit nassen Füßen erreichten. Unser Refugio entpuppte sich zu unserer großen Erleichterung und Freude als ein äußerst Gemütliches. Ein Ofen verströmte den angenehmen Duft von brennendem Holz. Es gab argentinische Steaks von bester Qualität. Ben erzählte vom Tasmanischen Devil (*), dem nach seiner Meinung coolsten Tier auf diesem Planeten, und wir spielten „Shit Hand“ – ein Kartenspiel, bei dem es nicht unbedingt ums Gewinnen gehen muss und dass angeblich jeder Traveler kennt. Ich kannte es bis dato noch nicht. Dennoch gewann ich gleich die erste Runde, es machte mir also Spaß.
An den kommenden beiden Tagen ließ sich die Sonne leider nicht mehr ganz so oft blicken. Ein kalter Wind peitschte durch das Bergmassiv und es schneite. Dennoch übersprangen wir gut gelaunt Baumstämme und Bäche, beobachteten Woodpecker (bei uns Spechte genannt), sammelten Chaura-Beeren und diskutierten wild über den Sinn und Unsinn des Backpackerdaseins. Roman brachte keinen ernsthaften Satz über seine Lippen und Christis Brust schwoll vor stolz, weil sie immer noch mithielt. Nach insgesamt gut 60 km Fußmarsch erreichten wir am letzten Abend den beeindruckenden Gletscher „Glaciar Grey“. Dicke Flocken schneiten vom Himmel und die ehrgeizigen Camper vor dem Refugio taten mir leid. Die Puristen hatten sich um einen Kessel Mate-Tee (**) versammelt und versuchten den Kocher darunter in Gang zu halten. Ich hingegen sprang unter der Dusche blitzschnell von einem Bein auf das andere, um die Verbrennungen, die der linke Duschstrahl auslöste mit dem Gletscherwasser auf der rechten Duschhälfte abzukühlen. Nunja, auch das gehört wohl zu einem echten Abenteuer in der Wildnis dazu.
(*) Der Tasmanische Teufel sieht aus, wie eine Mischung aus Hund und Katze. Er hat einen extrem muskulösen Brustkorb und die Kraft seines Bisses soll stärker sein, als die eines Haies.
(**) Mate-Tee ist ein koffeinhaltiges Getränk nach dem fast jeder Argentinier süchtig ist. Keinen Ausflug tritt er an, ohne seinen Mate-Becher in der Hand und eine Thermoskanne voll heißem Wasser unter dem Arm. Da die Mate-Tasse, auch Kalabasse genannt, von allen geteilt wird, hat sich die Schweinegrippe – so munkelt man – im letzten Jahr in Argentinien besonders weit ausgebreitet.
(***) „Die Blauen Türme“, so benannt durch die Mapuche-Indianer
sooooooo schööööön!!!! bist du im paradies gelandet?? tausend dank für diesen weiteren äußerst eloquenten bericht und die traumhaften bilder, die mich jedes mal träumen lassen… un millón de gracias por tu mensaje privado, pero la próxima vez no pierdas tu tiempo para contestar, ¿vale? ¡disfruta cada momento al máximo! un abrazo muy fuerte y un beso especial de una conicida desconocida 😉
Hey Knuf,
du hast bei dem Backpacker-Poker nur gewonnen, weil Robert und Ich nicht mitgespielt haben… 😉
Hab mir gestern mal deine Bilder in der Diaschau zusammen mit Chillout-Musik reingezogen. Das passte sehr gut zusammen. Viel Spass noch und weiter so mit dem Tagebuch. tobi.
Ach, da wird man nur neidisch und vom Eisblau ganz besoffen. Bist clever mit dem Gepäck, aber pass schön drauf aus. Hier regnet es seit Tagen und ist alles grau, also meckere nicht, wenn nicht jeden Tag die Sonne scheint! Weiter solche Landschaften und netten Damen an der Seite wünscht Bine
Deine Reiseberichte sind mittlerweile Bestandteil unserer gemeinsamen Abendlektüre …Lass es Dir weiterhin gut gehen. Trink so viel Mate-Tee wie du willst, aber Finger weg von Pralinen, die Dir Taxifahrer anbieten.
Viele Grüße von uns Vieren aus dem traumhaft verregneten Leipzig.
wunder…wunderschöneeeeee bilder und berichte;) unser gesprächsbestandteil in der wg zur zeit … sind doch die meisten sehr neidisch…auf dich!!!! 🙂 jetzt kann ich die nassen füsse verstehen! berge besteigen ist nicht so einfach…auf dem weg nach oben denk man sich „dasssss mache ich nie wieder!“…ist man oben…morgen gleich nochmal!!!:) freue mich auf mehr bilder, berichte !!!
un beso
Dom, your photos are awesome and I’m going to pilfer a few!! Wish we could understand your blog…
Cheers,
Em and Ben