Es donnerte und grollte und das Wasser rann in Bächen herab. Nur leider nicht von Steinen und Felsen, sondern von den Markisen über dem Eingang unseres Hostels. Ein Slalom zwischen den Regentropfen war unmöglich und so versammelte sich die gesamte Belegschaft, mindestens 100 Rucksackreisende, im Aufenthaltsraum. Das Personal war um gute Unterhaltung bemüht und veranstaltete einen brasilianischen Abend. Es gab Essen nach Art des Nachbarlandes, Samba-Tänzerinnen traten auf und ein Spaßmacher animierte die Angereisten zum Chorgesang. Wie auch immer das klingen mag, die Stimmung war ausgelassen und gut. Gebracht hat der Regentanz allerdings nicht viel, höchsten noch mehr Regen. Denn auch am nächsten Morgen wollte sich die Sonne nicht zeigen. Egal, schließlich waren wir ja alle gekommen, um viel Wasser zu sehen – wenn auch bevorzugt von unten, anstatt von oben. Auf meinem Programm stand an diesem Tag die Besichtigung der Wasserfälle von der brasilianischen Seite aus. Von dort sollte man einen guten Panoramablick genießen können. Und so verließen wir, d.h. meine Wenigkeit und 9 weitere Naturbegeisterte, mit einem Shuttle-Bus unser Quartier in Richtung Brasilien. Die Grenzbeamtin in grün-gelb schien von unserer Gute-Laune-Mission gehört zu haben. Denn wie um uns unterstützen zu wollen, wippte das hübsche Mädchen in dem Glaskabuff mit ihrem ganzen Körper nach links und rechts, nickte ihren Kopf vor und zurück, ja spitzte die Lippen und Pfiff zu einer Melodie, die definitiv nur sie in ihrem Kopf hören konnte. (Wenn das ein Aushängeschild für die brasilianische Mentalität war, wie meine Mitstreitern mir versicherten, dann muss ich meine Reiseroute unbedingt nochmal überdenken!) Die Auswirkungen jedenfalls waren enorm. Nur die Laune der US-Amerikaner verschlechterte sich, zahlten sie doch 100 Dollar für ihr Visa und die Deutschen nichts. Manchmal kennt Gerechtigkeit eben doch Grenzen.
Aufgrund der fast freundschaftlichen Atmosphäre war es schon im Hostel ein leichtes gewesen, andere Backpacker kennenzulernen. Und so wurde ich auch im Shuttle-Bus schnell mit Davide, einem Italiener, warm, mit dem ich dann auch den Rest des Tages verbrachte. Schnell stellte sich heraus, dass wir beide eine Leidenschaft fürs Fotografieren teilten, welcher wir dann auch nach knapp einer Stunde gemeinsam fröhnen konnten.
Kaum auf der brasilianischen Seite des Parks angekommen, tat sich vor uns ein Spektakel auf, mit dem ich absolut nicht gerechnet hatte und dessen wörtliche Beschreibung mehr als schwer fällt. Deshalb sei an dieser Stelle auf die Diashow auf dieser Seite verwiesen, durch welche sich jeder am besten selbst ein Bild von der Monumentalität des Naturschauspiels verschaffen kann. Ich habe schon viele Wasserfälle gesehen, selbst die Victoria-Wasserfälle in Simbabwe. Aber soviel Wasser ist noch nie vor meinen Augen über einen Felsvorsprung geschoßen. Selbst die Niagara-Fälle sollen in ihrem Ausmaß nicht heran reichen. Der Name Iguazú hat seinen Ursprung aus den guaranischen Wörtern y für Wasser und guasu für groß. Kurz und knapp nur mal die Fakten: Die Iguazú-Wasserfälle bestehen aus 20 größeren sowie 255 kleineren Wasserfällen auf einer Ausdehnung von 2,7 Kilometern. Einige sind bis zu 82 Meter, der Großteil ist 64 Meter hoch. Die Wassermenge an den Fällen schwankt von 1500 m³/s bis über 7000 m³/s. Der eindrucksvollste Abschnitt ist eine u-förmige, 150 Meter breite und 700 Meter lange Schlucht. Sie wird umgangssprachlich „Garganta del Diablo“ (span.) / „Teufelsschlund“ genannt.
Wasserfälle sollen negative Ionen und damit Glücksgefühle auslösen. Einen Beleg fand diese These auch am nächsten Morgen, als ich mit drei sehr netten deutschen Mädels die Fälle von der argentinischen Seite aus besuchte. Wieder ließ sich die Sonne nicht blicken, was unserer Laune aber keinen Abbruch tat. Diesmal fuhren wir sogar mit einem Schnellboot direkt unter die Fälle! Der Legende nach soll ein eifersüchtiger Waldgott einem Krieger gezürnt haben, der mit einem Mädchen in einem Kanu flussabwärts flüchtete. Direkt vor dem Paar riss der Gott das Flußbett auf und schuf so die Wasserfälle. Das Mädchen stürzte in die Tiefe und verwandelte sich in einen Stein. Der Krieger muss seit dem, in der Gestalt eines Baumes gefangen, von oben auf sie herabblicken. Wenn die Fälle auch geologisch anders entstanden sein mögen, so kann die Geschichte dennoch als Gleichnis für die Romantik des Ortes angesehen werden.
Die Wasserfälle von Iguazú von der brasilianischen Seite aus gesehen.
Ich drück dir die Daumen, dass die Sonne sich noch mal blicken lässt. Genieße die kurzweilige Feiervariante im Hunderterpack, hier ist es z.Z. auch nicht viel besser, aber leider ohne solche kulturellen Einlagen! Bine
Tolle Eindrücke,superschöne Bilder und Videos.Wir sind schon immer gespannt auf deine interesanten Reiseberichte.Dad und Mam